Newsletter JUNI 2022

Liebe Freunde der Kirchenmusik!
Sehr geehrte Damen und Herren!

 „Hier stehen die priesterlichen Worte des Obmannes…“ schreibt mir als Platzhalter-Text an dieser Stelle mein Vorgänger, Alt-Obmann und Chormanager Hartwig Frankl, der dankenswerterweise nach wie vor diesen Newsletter zusammenstellt. Meine Aufgabe besteht dann nur mehr darin, eine schnelle Korrekturlesung der Texte zu machen und dann die bereits erwähnten „priesterlichen Worte“ zu verfassen.
Nun, viel Priesterliches habe ich nicht beizutragen. Ich kann aber meinem Bedauern Ausdruck verleihen, dass wir derzeit noch immer die Musik zum Offertorium der Orgel überlassen, was nicht unserer Tradition entspricht. Wie feiern das hohe Pfingstfest mit einer von Mozarts kürzesten Messen, ohne ein „Veni, Sancte Spiritus“ oder andere zum Fest passende Motetten. Auch unser Repertoire, aus dem wir im Juni immer eine der großen Schubert- oder Bruckner-Messen oder gar Puccini geboten haben, bleibt vorläufig noch sehr eingeschränkt. Die Gründe dafür habe ich bereits früher dargelegt; und auch wenn unsere Besetzung schon langsam wieder etwas größer wird, so suchen wir doch immer noch dringend Sängerinnen und Sänger als Mitwirkende.
Möglicherweise ist uns dabei ausgerechnet die Latte, die wir uns im Laufe der Jahre immer selbst immer höher gelegt haben, im Wege. „Ich kann schon singen, aber so gut bin ich auch wieder nicht“, sagen sich vielleicht manche; oder „jede Woche singen, nein, das schaffe ich sicher nicht“. Nun, gleich zu Letzterem: keine Sorge! Bei uns zu singen macht süchtig – und irgendwann merkt man gar nicht mehr, dass man mindestens zweimal die Woche über den wunderbaren neuen Campus Akademie dem Probenraum der Chorvereinigung zustrebt; das geht dann irgendwann schon automatisch. Außerdem erspart man sich am Dienstag das Abendessen, weil dieses Bedürfnis nach der Probe im sogenannten Chorbeisl ausreichend und sozial erfreulich abgedeckt wird. Und zu den Bedenken, man sei vielleicht nicht gut genug: ein kleines Vorsingen beim Musikalischen Leiter, wo einfach die Stimme, die musikalischen Möglichkeiten und allfällige Vorkenntnisse eingeschätzt werden, ist ohnehin obligatorisch. Wir erwarten nicht die perfekten Chorsänger*innen mit 20 Jahren Vorerfahrung im Schoenberg-Chor und 40 Messen im ständigen Repertoire (obwohl das auch kein Hinderungsgrund wäre). Vieles lernt man auch erst im Laufe der Jahre quasi nebenbei. Auch der Verfasser dieser Zeilen hatte im Herbst 1988, bei seinem ersten unbeholfenen Einsatz bei Schuberts G-Dur-Messe (singen wir übrigens zu Fronleichnam) in St. Augustin keine blasse Idee von den Messen, die er nach ein paar Jahren dank hartnäckigem „Ochsen“ (Übersetzung: intensive und mühevolle Probenarbeit) unter Prof. Wolf nun weitgehend auswendig singt.
Warum man in diesem Chor seit bald 34 Jahren ununterbrochen singt, sich dann auch noch Vorstandsarbeit und Obmannschaft antut…? – Kommen Sie, und finden Sie’s heraus!

Martin Filzmaier, Obmann

Anmerkung: Das Beitragsbild zeigt „Herz Jesu“, Predellenbild am Altar der Ignatiuskapelle (1. Kapelle links) von Leopold Kuppelwieser, 1857

Pfingstsonntag, 5. Juni 2022: W. A. MOZART – „Spatzenmesse“ KV 220 (1775)

Seinen frühesten Beitrag zur geistlichen Musik schrieb das weltläufige Wunderkind Wolfgang Amadé Mozart Anno 1765, neunjährig, auf einer Konzertreise nach London. Seinen letzten Beitrag zur Musica sacra entrang sich der Meister in den dunklen Novemberwochen des Jahres 1791, fünfunddreißigjährig, weltentrückt und „den Todesgeschmack auf der Zunge“, in enger Arbeits- und Sterbestube zu Wien in der Rauhensteingasse. Jenes erste Werk lebte als „Sacred Madrigal“ aus dem frommen Nacheifern altklassischer Vokalpolyphonie, wie sie der Knabe im Salzburger Dom offenen Sinnes eingesogen hatte. Dieses, das Fragment seines Requiems, sollte das Opus metaphysicum Mozarts auf einsamer Gipfelhöhe werden. Jenes entstand angesichts des englischen Königshofes, dieses angesichts des Weltenrichters. Jenes war Gebrauchsmusik, dieses Bekenntnismusik. Im Spannungsfeld beider Bereiche vollzog sich das Lebens- und Schaffenswerk des Genies, auch das der Kirchenmusik.
Gewiss hat sich Mozarts allzeit weltoffenes Ohr an den „Aktualitäten“ seiner Zeit genährt, in der Kirchenmusik also an dem italienischen „stile mixto“ brillanter Koloraturen, schmelzender Melodik und virtuoser Konzertmanieren. Aber er hat das von Wien über München bis Mannheim Gehörte und das von Mailand über Rom bis Neapel kritisierte aus dem Form-Klingklang der Zeit umgeschmolzen in die so inspirierte wie disziplinierte Form-Kunst seiner Messen, und zwar schon in seinen reiferen Salzburger Jahren. Er hat die große chorische Salzburger Eigentradition und den „Stilo osservato“ des Padre Martini zu unvergleichlich knapper, motivisch-einheitlicher Dichte geführt und hat Texttreue und Textverständlichkeit dabei über alles gesetzt. So sind die Kurzmessen des erzbischöflichen Domorganisten Johannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus Mozart das liturgiehältige Konzentrat in einer Zeit, in der ringsum die sinfonische Aufweichung der Konzertmessen drohend anschwoll.
Unter den in Mozarts Salzburger Jünglingsjahren fallenden Messkompositionen entstand die sogenannte „Spatzenmesse“ (KV 220) wahrscheinlich im Jahre 1775, als Auftragswerk für die Münchner Hofkapelle. Ihre Besetzung entspricht ganz der Aufführungspraxis jener Jahre (Solistenquartett mit gemischtem Chor, dazu ein Orchester mit Violinen und Kontrabass, zwei Trompeten und Pauken sowie Orgel). Klarheit der Form und Volkstümlichkeit in Melodik und Harmonik sind die Kennzeichen der „Spatzenmesse“, die bald schon ihren Spitznamen von den tirilierenden Violinen im Allegro des Sanctus erhielt. Indes schlägt Mozart nicht nur fröhliche Töne an, er rührt mit seinen Akkordfolgen (z.B. zum „Et incarnatus“ im Credo, in dem die Chorpartien von den Soloepisoden durch einen wiederkehrenden Bassrhythmus abgehoben werden, dabei aber Chor und Soli über einem fortlaufend gleichbleibenden Orchester-Grundmotiv ausgespannt erklingen. So wie hier die Formeinheit fast „verspielt“ gewahrt erscheint, so hat Mozart in aller seiner Kirchenmusik die Einheit von weltlicher und geistlicher Musik gewahrt. Trennungen und Stilbrüche kannte er da nicht.
(Text vom Cover der LP Electrola 1 C 063-28 500. Autor nicht genannt.)
Als Solisten wirken mit: Elisabeth Wimmer, Katrin Auzinger, Alexander Kaimbacher und Yasushi Hirano.

Sonntag, 12. Juni 2022: W. A. MOZART – „Große Credomesse“, KV 257 (1778)
Die Messe in C-Dur, KV 257, allgemein „Credomesse“, bzw. (zur Unterscheidung von der „Kleinen Credomesse“ KV 192) „Große Credomesse“ genannt, ist eine Messe für Solisten, vierstimmigen Chor, Orchester und Orgel. Leopold Mozart nennt sie 1778 in einem Brief an Wolfgang Amadé allerdings „Spaur Messe“. Das Werk wird gelegentlich als Missa brevis bezeichnet, geht jedoch mit einer Spieldauer von ca. 25 Minuten über den Umfang einer Brevismesse hinaus. In dem in Brixen aufgefundenen Stimmensatz, der anscheinend bei der Erstaufführung verwendet wurde, wird sie mit Missa solemnis in C betitelt. Leopold Mozart überschrieb sie in seinem Sammelband mit Missa longa, jedoch ist sie etwa 5–6 Minuten kürzer als die von Amadé zuvor komponierten Missæ longæ KV 167 und KV 262. Sie nimmt stilistisch also eine Mittelstellung ein.
Die Messe wurde am 17. November 1776 im Salzburger Dom uraufgeführt, Anlass war die Weihe des Salzburger Domherren Ignaz von Spaur (1729–1779) durch Erzbischof Hieronymus zum Bischof. Spaur war seit 1755 Domherr zu Salzburg und seit 1763 Kanonikus in Brixen gewesen. 1776 trat er das Amt des Bistumskoadjutors von Brixen mit zugesicherter Bischofsnachfolge an.
Zu diesem Fest hatte Mozart eine neue Messe geschaffen. Einerseits erklärt sich dieser Vorgang durch die Ämter Leopolds und Wolfgang Amadés am Salzburger Hof als Kapell- bzw. Konzertmeister, andererseits durch die freundschaftliche Beziehung der beiden zu Graf Ignaz von Spaur. Mit ziemlicher Sicherheit hat Ignaz von Spaur selbst dieses Werk nach Brixen mitgenommen, als er 1776 auf Dauer von Salzburg nach Brixen übersiedelte. Das Notenmaterial konnte 2007 als das der Uraufführung erkannt werden, und so wurde in Folge das Rätsel um die Identifizierung der „Spaur-Messe“ von Hildegard Herrmann-Schneider gelöst. Zuvor war jahrzehntelang, einer unbelegten Vermutung Alfred Einsteins in der 3. Auflage des Köchelverzeichnis folgend, die Missa brevis C-Dur KV 258 als Spaur-Messe angesehen worden; auch die Missa longa C-Dur KV 262 galt als möglicher Kandidat.
Solisten sind: Ursula Langmayr, Katrin Auzinger, Gernot Heinrich und Klemens Sander.

 Donnerstag, 16. Juni 2022: Fronleichnam
Franz SCHUBERT – Messe in G-Dur, D 167 (1815)
Franz Schubert, der von 1808 bis 1813 das Akademische Gymnasium am Universitätsplatz (vormals: Jesuitenplatzl, jetzt: Ignaz-Seipel-Platz 1) besucht hatte, komponierte der gerade 18-Jährige laut Eintrag im Partitur-Autograph die Messe in weniger als einer Woche, vom 2. bis 7. März 1815. Da er dafür die Arbeit an seiner 2. Sinfonie unterbrach, darf angenommen werden, dass Schubert für die Messe einen Kompositionsauftrag erhalten hatte. In der Erstfassung war für das Orchester nur eine am Wiener Kirchentrio (2 Violinen und Basso continuo, hier erweitert um die Bratsche) orientierte kleine Besetzung vorgesehen. Vermutlich wurde das Werk in dieser Form erstmals 1815 unter Schuberts eigener Leitung in der Lichtentaler Pfarrkirche aufgeführt.

Gedenktafel am Ignaz-Seipel-Platz 1      

Zu einem nicht genau bestimmten späteren Zeitpunkt erweiterte Schubert die Besetzung des Werks um Trompeten und Pauken. Da Eusebius Mandyczewski, der Herausgeber des Werks, im Rahmen der alten Schubert-Gesamtausgabe (1887) diese Erweiterungen für unecht hielt, nahm er nur die Erstfassung in die Edition auf, was für die kommenden Jahrzehnte für die Rezeption der Messe bestimmend blieb. Erst in den 1980er-Jahren wurde der originale Stimmensatz von der Hand Franz Schuberts mit den instrumentalen Erweiterungen in Klosterneuburg wieder aufgefunden, wo am 11. Juli 1841 die erste nachweisbare Aufführung dieser Fassung stattgefunden hatte.
Der Erstdruck der Messe erfolgte 1846, allerdings fälschlicherweise unter dem Namen des früheren Prager Domkapellmeisters Robert Führer, der kurz zuvor seine Stelle wegen Betrugs verloren hatte und später wegen diverser Vergehen im Gefängnis landete. Schuberts Bruder Ferdinand forderte daraufhin 1847 in einem Zeitungsartikel die Richtigstellung, die bei der nächsten Auflage des Drucks erfolgte. Ferdinand Schubert erweiterte 1847 seinerseits die Besetzung der Messe nochmals um Oboen (oder Klarinetten) und Fagotte.
Die Messe ist überwiegend homophon und liedhaft gesetzt und somit auf die Möglichkeiten einer kleineren Kirchengemeinde hin ausgerichtet. Nur das Benedictus ist als dreistimmiger Kanon angelegt, und die Osanna-Abschnitte von Sanctus und Benedictus sind als Fugati komponiert.
Wie in allen seinen lateinischen Messvertonungen lässt Schubert im Credo den Satz „Et unam sanctam catholicam et apostolicam ecclesiam“ (deutsch: „[Ich glaube an] die eine heilige katholische und apostolische Kirche“) aus, sowie in diesem Werk auch den Satz „Et expecto resurrectionem mortuorum“ (deutsch: „Ich erwarte die Auferstehung der Toten“), und gibt damit seinen ganz persönlichen Vorbehalten gegenüber bestimmten zentralen christlichen Glaubenssätzen Ausdruck.
Die G-Dur-Messe gehört heute zu den am meisten aufgeführten kirchenmusikalischen Werken Franz Schuberts.
Es musizieren mit uns die Solisten: Cornelia Horak, Gustavo Quaresma und Markus Volpert.

 Sonntag, 19. Juni 2022: Joseph HAYDN – „Paukenmesse“ (1796)
Die Uraufführung der Paukenmesse fand ausnahmsweise nicht zum Namenstag der Fürstin Hermengild statt, sondern zur Primizfeier von Joseph v. Hofmann, Sohn des kaiserlichen Kriegs­zahl­meisters, am 26. Dezember 1796 in der Piaristenkirche in Wien. Haydn arbeitete in den Sommer- und Herbstmonaten des Jahres 1796 an der Komposition und stellte das Werk nach einer Unterbrechung erst im Winter in Wien fertig. Die Aufführung anlässlich des Namenstages der Fürstin erfolgte im Jahr darauf, im September 1797 in Eisenstadt. Hintergrund für die Namensgebung als „Missa in tempore belli“ (Messe in Kriegszeiten) war die angespannte politische Situation. Österreich stand mit Frankreich im Krieg, Napoleon rückte mit seinen Truppen gegen Wien, was Kaiser Franz II./I. zur allgemeinen Mobilmachung veranlasste. Die volkstümliche Bezeichnung „Paukenmesse“ bezieht sich auf die solistische Verwendung der Pauke im Agnus Dei, das drohend und beängstigend erklingt und die Bitte um den Frieden und das Erbarmen eindringlich unterstreicht. Für Haydns Biograph Griesinger wirkte diese dramatische Gestaltung „als ob man den vorrückenden Feind bereits in der Ferne hörte.“ Aber nicht nur im Agnus, sondern auch in den anderen Sätzen der Messe wird Tonmalerei hörbar. Besonders das Sanctus und das Benedictus durchdringen heroische Bläserfanfaren und Paukenwirbel. Der „kriegerische“ Charakter, der auch die Nelsonmesse bestimmt, kann auch im politischen Kontext zum Fest Mariä Namen, das am Sonntag nach Maria Geburt begangen wurde und bei dem im Habsburgerreich des Sieges über die Türken im September 1683 gedacht wurde, interpretiert werden. Der Charakter der Paukenmesse steht im Kontrast zur zeitgleich entstandenen Heiligmesse, der ein lyrisch poetischer Ton zu Grunde gelegt ist. Im Gegensatz dazu ist die Paukenmesse selbstbewusster und in ihrem Gestus brillanter. Neuartig ist in der Paukenmesse – neben der obligaten Führung der Holzbläser – das solistische Hervortreten des Violoncellos, das im „Qui tollis“ mit dem Solobassisten konzertiert.
Als Solisten hören Sie: Monika Riedler, Martina Steffl, Gernot Heinrich und Markus Volpert.

Damit verabschieden wir uns in die Sommerpause. Wir kehren wieder am 4. September.