Wir feiern unser Jubiläum!

25 Jahre CVSA

NEWSLETTER JUNI 2018
Liebe Freunde der Kirchenmusik!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Schon neigt sich das Arbeitsjahr dem Ende entgegen. Doch auch in den verbleibenden frühsommerlichen Wochen stehen vier großartige Schätze der Kirchenmusik auf dem Programm der Chorvereinigung St. Augustin in der Jesuitenkirche. Die Schöpfungsmesse von Joseph Haydn, die Piccolominimesse von Mozart, die Messa di Gloria von Puccini und als Abschluss die Große Messe in As-Dur von Schubert. Damit verabschieden wir uns nach 40 gesungenen Messen und 2 Abendkonzerten in der Saison 2017/2018 in die wohlverdiente Sommerpause.

Doch ist dieser Monat etwas Besonderes! Denn wir feiern am 10. Juni offiziell das 25-jährige Bestehen unseres Chores. Die „Messa di Gloria“ ist ein zum Anlass passendes Werk, denn wir können wirklich jubeln! 25 Jahre Kirchenmusik auf höchstem Niveau — wer hätte das am 1.2.1993, als die Vereinsgründung erfolgte, für möglich gehalten?

Voll Dankbarkeit denken wir an die „Gründerväter“: Prof. Wolf als Chorleiter, Dr. Grumbeck als Obmann und P. Wallner als Kirchenrektor, an dessen 5. Todestag wir seiner erinnern. Im Anschluss an die Messe laden wir gemeinsam mit den Jesuiten zu einer Agape in die Alte Burse (bei Schönwetter im Garten). Dort wird auch die Festschrift „25 Jahre CVSA“ präsentiert.

Am 24. Juni müssen wir uns nach jahrelanger fruchtbarer Zusammenarbeit leider von P. Sperringer verabschieden. Er wurde zu einer neuen Aufgabe in den Kosovo berufen. Als Kirchenrektor folgt ihm P. Peter Fritzer SJ nach.

Abschließend möchte ich Ihnen für Ihre Treue danken und wünsche Ihnen, in der Hoffnung, Sie auch im Herbst wieder bei uns begrüßen zu dürfen, einen erholsamen Sommer!

Hartwig Frankl, Obmann


Donnerstag, 31. Mai 2018, Fronleichnam: Joseph Haydn – „Schöpfungsmesse“
Mozart hat es nicht mehr geschafft, aber Joseph Haydn konnte es noch in seinem letzten Lebensjahrzehnt verwirklichen: Die Übertragung der kompositorischen Erfahrungen aus der Entwicklung der klassischen Sinfonie in die Messkomposition. Traditionell eher konservativ gehandhabt, war dieses geistliche Repertoire auch in der Klassik noch stark an barocke Formen gebunden. Hinzu kamen, wie etwa im Fall von Mozart, einschneidende Reglementierungen durch den Auftrag gebenden Klerus, die zu der typischen Brevis-Messe der Klassik führten, welche auf engstem Raum den gesamten Text abspulen musste.

Auch Haydn hatte in früheren Jahrzehnten solche Werke komponiert, in denen aus Zeitgründen teilweise sogar verschiedene Textstellen gleichzeitig erklangen. Als alter Mann hat er sich solchen Be-schränkungen nicht mehr unterworfen: Jeweils über vierzig Minuten dauern seine letzten beiden Messen, die 1801 bzw. 1802 fertig gestellt und unter den prägnanten Titeln “Schöpfungsmesse“ und „Harmoniemesse“ bekannt geworden sind.

Innerhalb von ca. sechs Wochen hat Haydn die Missa solemnis in B-Dur (Hob.XXII:13) im Jahre 1801 als fünfte der insgesamt sechs späten Missae solemnes im Auftrag seines Dienstherrn Fürst Nikolaus II. Esterházy komponiert. Der Beiname „Schöpfungsmesse“ ist zwar nicht authentisch, gründet sich wohl aber auf das Zitat im Gloria aus dem Oratorium „Die Schöpfung“: „Der tauende Morgen, o wie ermuntert er“. Die fromme Maria Theresia von Neapel-Sizilien, Gattin von Kaiser Franz II. (I.), soll über diese Stelle schwer verärgert gewesen sein, denn der Messtext „qui tollis peccata mundi“ („der du trägst die Sünden der Welt“) erklingt so locker und leicht, dass dies zu damaliger Zeit als Affront, quasi als ein Ins-Lächerliche-Ziehen des Messtextes empfunden werden musste. Die Kaiserin verlangte eine Änderung der Stelle, Haydn kam dem auch nach – jedoch hat sich diese modifizierte Fassung nie durchgesetzt.
Als Solisten wirken mit: Monika Riedler, Hermine Haselböck, Alexander Kaimbacher und Yasushi Hirano.
Zum Offertorium singt der Chor „Ave verum“ von W.A. Mozart. Mozart komponierte die Motette für Chor, Streicher und Orgel im Juni 1791, knapp ein halbes Jahr vor seinem Tod, während er zugleich an der „Zauberflöte“ und dem „Requiem“ arbeitete. Die Komposition war bestimmt für das Fronleichnamsfest in Baden bei Wien, wo Mozarts Frau Constanze zur Kur weilte. „Ave verum“ sind die als Titel dienenden Anfangsworte eines lateinischen Reimgebets zur Sakramentsverehrung, das den in der Eucharistie anwesenden Leib Christi grüßt, sein Erlösungsleiden preist und um seine Kraft in der Sterbestunde bittet. Man braucht nicht viele Worte darüber zu verlieren, dass es sich dabei um Mozarts zweifellos populärste kirchenmusikalische Komposition handelt, die den Hauch eines opus ultimum trägt.

Sonntag, 3. Juni 2018: W. A. Mozart, „Piccolominimesse“ KV 258
Mozart komponierte diese Missa brevis in C-Dur 1775 für vierstimmigen Chor, Soli und Orchester. Der durch Pauken und Trompeten entstandene feierliche Charakter der Messe wird durch später hinzugefügte Oboen-Stimmen weiter hervorgehoben. Dem Gebot der Kürze kommt große Beachtung zu. Einige Besonderheiten weist das stark komprimierte Schlussfugato des Gloria und das die Trinität darstellende Unisono im Credo auf. Das Benedictus stellt sich im Allegro mit voller Besetzung und vokaler Doppelchörigkeit gegen die leise und getragene Tradition dieses Satzes. Das Dona nobis pacem ist in die Gesamtform des Agnus Dei eingebunden.
Die Missa brevis KV 258 trägt den Beinamen „Piccolomini-Messe“, dessen Herkunft jedoch ungeklärt ist. In der Vergangenheit war die Messe auch unter dem Beinamen „Spaur-Messe“ bekannt. Leopold Mozart hatte am 28. Mai 1778 in einem Brief an Wolfgang Amadeus eine Messe erwähnt, die dieser 1776 anlässlich der Konsekration von Ignaz von Spaur zum Weihbischof von Brixen komponierte. In der Mozart-Forschung herrschte lange Zeit Unsicherheit darüber, um welches Werk es sich bei dieser „Spaur-Messe“ genau handelte. Alfred Einstein bedachte die Messe KV 258 mit dem Spitznamen „Spaur-Messe“, ohne dies näher zu begründen. Neuere Forschung geht einhellig davon aus, dass es sich bei der „Spaur-Messe“ um die Messe C-Dur KV 257 handelt. Dies hatte der Musikwissenschaftler Alan Tyson 1987 durch Vergleiche der von Mozart verwendeten Notenpapiere plausibel machen können. Bestätigt wurde dies 2007 durch den Fund eines Stimmensatzes in Brixen mit handschriftlichen Eintragungen von Wolfgang Amadeus und Leopold Mozart.
Als Solisten hören Sie Cornelia Horak, Martina Steffl, Gernot Heinrich und Yasushi Hirano.
Zum Offertorium wird die Kirchen-Sonate in F-Dur, KV 244, musiziert. Diese Kirchensonate aus dem April des Jahres 1776 ist die erste von jenen fünf Kirchensonaten, in denen Mozart die Orgel konzertierend eingesetzt hat. Für Organisten ist interessant, dass Mozart das Orgelsolo ausdrücklich mit der „Copula allein“ gespielt wissen wollte, einem nicht lauten und flötenartig klingenden Register. Diese Registrierungsangabe ist vielsagend für die Intonation von Mozarts Orgel, die Akustik im Salzburger Dom sowie für die Balance und Dynamik in der damaligen Aufführungspraxis.

Aus „Mozart sakral“, 2006


Sonntag, 10. Juni 2018: Giacomo Puccini – „Messa di Gloria“
Puccini, 1858 in Lucca in der Toskana geboren, studierte auch dort und schrieb als Abschlussarbeit 1880 die Messe für das dortige Konservatorium. Die Aufführung am 18. Juli desselben Jahres brachte ihm allgemeine Anerkennung ein. Anklänge aus der Messe, in der auch Einflüsse Verdis bemerkbar sind, sind vor allem in seiner Oper “Manon Lescaut“ zu erkennen, in deren 2. Akt fast das gesamte, kaum veränderte Agnus Dei vorkommt. Die Messe hat ihren Namen sicher von dem umfangreich durchkomponierten Gloria, welches 531 Takte umfasst und für die Aufführung etwa 21 Minuten benötigt. Die Dramatik von Gemütsbewegungen von menschlicher Leidenschaft, Liebe und Schmerz, Tränen, innere Freude – all das wird durch die wechselnden Interpreten von Damen- und Herrenchor, sowie Tutti-Chor – a capella und in Begleitung des Orchesters – und Solisten deutlich hörbar. Sowohl dem Chor, als auch dem Orchester wird in den 219 Takten der „Cum sancto Spiritu“-Fuge ein Höchstmaß an Präzision abverlangt, bis das Stück in einem herrlich jubelnden Amen in C-Dur ausklingt. Der erste Teil des Credo beeindruckt durch wiederholte Crescendo-Akkorde in den Bläsern, untermalt von dazu passenden Paukenwirbeln. Das „Et incarnatus est“ wird durch das Tenor-Solo gestaltet, das über dem piano singenden Chor liegt. Das vom Bass-Solo eher düster dargebrachte „Crucifixus“ leitet in ein Fugato „Et resurrexit“ über, dem das „Et in Spiritum Sanctum“ im Andante, das „Et unam sanctam catholicam“ im Larghetto folgen. Mit dem „Et vitam venturi saeculi“ in einem schlichten Andantino schließt das Credo, nicht ohne das Solo-Orchester nach dem letzten „Amen“ des Chores mit einem aus dem Pianissimo in ein Fortissimo über 4 Takte crescendierenden C-Dur Akkord das Credo abschließen zu lassen. Die Messe, deren Aufführung ein vor allem in der fulminanten Bläserbesetzung mit Hörnern, Trompeten, Fagotte, Oboen, Klarinetten, Flöte, Piccolo-Flöte, Posaunen und Tuba umfangreiches Orchester erfordert, bewegt und motiviert alle Mitwirkenden, sowohl im Chor, im Orchester, und die Solisten.
Als Solisten hören Sie Gustavo Quaresma und Klemens Sander.
Zum Offertorium singt der Chor die Motette „Os justi“ (1879) von Anton Bruckner. Mit dem Graduale, das dem 37. Psalm entnommen ist, kam Bruckner den cäcilianischen Bestrebungen am ehesten entgegen. Bruckner lieferte damit eine Chormotette im strengen, kirchentonartlich gebundenen Satz, der sich allein auf die 7 Töne der lydischen Tonleiter beschränkt. Bot der Text an sich wenig Gelegenheit für eine differenzierte Wortinterpretation, so werden doch die Schlussworte „…et non supplanta-buntur gressus ejus“ (…und seine Schritte werden nicht straucheln) konkreter ausgedeutet. Der Sopran singt eine gregorianische Melodie, während die übrigen fünf Stimmen mit den klanglich unveränderten F-Dur-Akkorden das „sichere, ungehinderte Einherschreiten“ versinnbildlichen.

Sonntag, 24. Juni 2018: Franz Schubert – Große Messe in As-Dur, D 678
Entstehungsgeschichte
Die Messe entstand 1819 bis 1822, die zweite Fassung von 1825 bis 1826. Im Gegensatz zu den anderen Messen hatte Franz Schubert (1797-1828) bei der Komposition der Missa solemnis in As-Dur keinen Auftrag oder ein bestimmtes Fest als Anlass. Das belegt schon die lange Zeit, welche die Komposition der Messe in Anspruch genommen hat: Schubert arbeitete mit Unterbrechungen von November 1819 bis Dezember 1822 an diesem Werk. Keines seiner Werke beschäftigte ihn länger als die As-Dur-Messe. Ferdinand Schubert brachte die Messe vermutlich bereits 1822 oder 1823 in der Altlerchenfelder Kirche zu Wien zur Aufführung (er war dort Regens Chori). Diese erste Aufführung dürfte seinen Bruder Franz jedoch nicht zufrieden gestellt haben. Als er 1826 beabsichtigte, sich um die schon länger vakante Vizehofkapellmeisterstelle zu bewerben, überarbeitete er (wahrscheinlich angeregt durch Erfahrungen aus der ersten Aufführung) die Messe grundlegend, indem er z. B. in den Chorpartien manche Abschnitte tiefer legte und instrumental unterstützte, sowie die begleitenden Spielfiguren der Streicherstimmen vereinfachte, und für das Ende des Gloria eine neue Fuge komponierte. Diese zweite Fassung übergab er an den Hofkapellmeister Josef Eybler – den Nachfolger von Antonio Salieri – zur Aufführung in der Hofkapelle. Dieser schickte sie ihm jedoch mit den Worten „Die Messe ist gut, aber nicht in dem Styl componirt, den der Kaiser liebt” zurück. Für den Kaiser (Franz II./I.) war auch die überarbeitete Version offenbar zu lang und noch immer zu schwierig. Einzelne Sätze erklangen erst wieder 1863 im Leipziger Gewandhaus und 1874 im Wiener Verein der Musikfreunde unter der Leitung von Johannes Brahms. 1875 erschien eine erste gedruckte Ausgabe.
Zum Werk (von Martin Filzmaier)
Für viele Chormitglieder ist ein Termin der As-Dur-Messe auf unserem „Spielplan“ immer ein Grund, allfällige anderweitige Verpflichtungen, Verhinderungen, Urlaube oder andere Dringlichkeiten um dieses Datum herum zu verschieben. So ein Phänomen tritt bei besonders aufwändig vorbereiteten oder neu einstudierten Messen auf, bei rein musikalischen „Highlights“ oder bei einer Kombination von genialer Komposition einerseits und tiefem spirituellem Erleben andererseits, wie Schubert das in seinen letzten beiden Messen, As-Dur und Es-Dur, gelungen ist.
Sicherlich, das Werk ist für den Chor äußerst anspruchsvoll; die Fuge im Gloria gehört zu den schwierigsten und längsten Chorfugen der Literatur; und die „haarige“ Chromatik in Teilen des Werkes erfordert ganz präzise Intonation, die auch bei sehr guten Chören manchmal Glückssache ist. Aber darin unterscheidet sich das Werk nicht wesentlich von anderen Meisterwerken mit ähnlich hohem musikalischem Anspruch. Es ist etwas anderes, was die großen Schubert-Messen aus der Messliteratur heraushebt. – Etwas, das meines Wissens in der musikwissenschaftlichen Literatur kaum beschrieben wird; möglicherweise, weil so wenige Musikwissenschafter oder Kritiker das Werk selbst gesungen haben. – Es ist das Durchleiden oder Durchringen der Komposition. Das soll etwas näher erklärt werden…
Während bei den Komponisten vor ihm der Messtext eine an sich klar vorgegebene Sache ist, Kyrie-Gloria-Credo-eh-klar, nähert sich Schubert manchen Passagen mit großer Behutsamkeit (z. B. der Credo-Beginn in der Es-Dur-Messe), manchmal mit Zweifel und innerem Ringen, manchmal mit Fassungslosigkeit und Überwältigung (die Sanctus-Vertonungen); und manchmal gar nicht, wenn er Textteile („et unam sanctam“) in seinen Messen notorisch auslässt und gar nicht vertont – ein Affront, damals wie heute.
Die Musiker und Sänger winden sich dann durch abenteuerliche Chromatik, also häufige, ungewöhnliche Tonartenwechsel in rascher Abfolge, durch die Schubertschen Probleme mit den Glaubensinhalten, bzw. mit dem Messtext. – Aber vielleicht sind es auch gar keine Probleme von Schubert, sondern nur seine Verdeutlichung, wie sehr hier (Glaubens-)Aussagen auf ein sprachliches Substrat verdichtet wurden, über das wir allzu oft mit großer Selbstverständlichkeit und Gedankenlosigkeit hinweggehen. „Et incarnatus est de Spiritu Sancto ex Maria virgine“, ja, sicher, „Er ist Mensch geworden durch den Heiligen Geist aus der Jungfrau Maria“ undsoweiter. Nächster Glaubenssatz, bitte. – Nicht so bei Schubert! Immer und immer wieder repetiert und steigert er den Satz, bis er ihn über viele Tonarten hinweg, durch alle Farben und Schattierungen des irdischen Lebens hindurch, die unserem Bekenntnis nach Jesus ja durchlebt hat, in eine Dur-Gewissheit hinein entfaltet hat. Diese währt nur einen Takt lang und wird sogleich hart mit dem Chor-Ausruf in Moll, „Crucifixus“, kontrastiert. Das folgende „crucifixus“-Motiv, das zuerst die Bässe intonieren, ist ein Schmerzensschrei und ein Weckruf zugleich. Auch hier: wieder und wieder werden wir darauf gestoßen, was im Text, auf wenige Wörter verdichtet, tradiert wurde. Nach diesem Kreuzigungs-Kampf endet die Passage versöhnlich, nein: versöhnt, in mildem Dur-Ausklang: „passus et sepultus est“.
Ein anderes Beispiel für die Außergewöhnlichkeit der Schubertschen Annäherung an den Messtext ist das Sanctus. Schubert beginnt ganz „harmlos“ in einer fast konventionellen kleinen Steigerung in F-Dur, die Hörner dürfen Oktavbewegungen dazu spielen. Doch rasch mischen sich verstörende Töne in den netten Beginn: da stimmt etwas nicht! Die Heiligkeit Gottes ist nicht etwas, das wir im Tabernakel einsperren und in der Kirche verwalten können. Sie ist – eine Aussage über Gott selbst – das „ganz Andere“, Unerwartete, viele auch vor den Kopf Stoßende. Der Chor fährt in diese F-Dur-Freundlichkeit mit einem Sanctus-Ruf in scharfem fis-Moll hinein – eine nach den Regeln der Kunst ganz unmögliche harmonische Entgegensetzung. – Ob der Herr Eybler sich das auch genau angeschaut hat, als er nachher etwas lapidar meinte, die Messe sei „gut, aber nicht nach dem Geschmack des Kaisers“…? – 2 weitere Sanctus-Rufe mit ähnlich scharfen Kontrasten folgen. Das „pleni sunt coeli et terra“ danach ist reine Idylle, nicht mehr triumphal, nur mehr erläuternd, nachdem einmal geklärt ist, worum es bei der Sanctus-Idee überhaupt geht.
Niemand sonst hat das „tremendum et fascinosum“, das Heilige, so vertont. Wieso gerade Schubert? Welchen besonderen Zugang hat er dazu? Eröffnet vielleicht erst das In-Frage-Stellen, das kritische Denken und Prüfen, die Abkehr von ausgetretenen Pfaden, das Sich-Einlassen auf etwas Neues und Unerwartetes, das Geheimnis des Glaubens? Der Aspekt der Heiligkeit Gottes als etwas überwältigend Großes, abgründig Erschreckendes, vor dem wir erschauern, erzittern müssen (tremendum) einerseits; etwas unfassbar Schönes und gewaltig Herrliches, das uns ganz in Bann zieht (fascinosum) andererseits. Durch diese Aspekte hindurch geht die Chromatik in immer neuen Steigerungen, letztlich aber in eine Heilsgewissheit hinein. Wer die wenigen Takte der Sanctus-Rufe in der As-Dur-Messe (eine ähnliche Annäherung, noch abgründiger, bringt dann auch die Es-Dur-Messe) gehört hat, kann sich viel Literatur zum Thema „Heiligkeit“ ersparen. Schubert hat da mehr verstanden – oder unbewusst zum Ausdruck gebracht – als viele Theologen und Philosophen vor und nach ihm.
Eine Besonderheit der Aufführung in der Jesuitenkirche ist auch der unmittelbare Anschluss des Gloria an das Kyrie. Wir erlauben uns hier einen kleinen Schlenker im liturgischen Ablauf und beugen uns dem Genie des Komponisten, der hier das in sanftem, dunklem As-Dur ausklingende Kyrie dem strahlenden E-Dur der Gloria-Rufe gegenüberstellt – ein größtmöglicher tonartlicher Kontrast, der Schubert offenbar so wichtig war, dass wir dem durch diese Praxis Anerkennung erweisen.
Als Solisten wirken mit Cornelia Horak, Annely Peebo, Daniel Johannsen und Klemens Sander.
Zum Offertorium präsentieren wir eine besondere Spezialität: Schuberts späte Motette für Chor und Tenorsolo „Intende voci“ D963. Schubert schrieb das Stück im Oktober 1828 als „Aria con Coro“ zusammen mit einem „Tantum ergo“. Vermutlich handelt es sich um eine der letzten Kompositionen des Meisters, wenn nicht gar um die letzte. Der äußere Anlass ist auch hier unbekannt, stehen Umfang und Besetzungsaufwand doch im seltsamen Missverhältnis zur liturgischen Ortung des Textes, der zur Messe des Freitags nach dem 3. Fastensonntag gehörte, also einem gewöhnlichen Werktag in einer Zeit des Kirchenjahres, da Instrumentalmusik aus der Liturgie verbannt war. Das großartige, festfreudige Stück lässt den Meister der Es-Dur-Messe erkennen. Nach einem Orchestervorspiel, in welchem die Oboe die führende Rolle spielt, setzt der Solotenor in ariosem Überschwang ein, mit dem später einfallenden Chor ständig dialogisierend. Das Ganze trägt mehr festlichen als dem Text entsprechenden flehenden Charakter. Das mit 10 Minuten Dauer den liturgischen Rahmen eines Offertoriums sprengende, reife und künstlerisch bedeutende Werk ist sicherlich eine absolute Rarität und nur bei uns zu hören!
(Befindet sich auf der CD „Schubert Messe in G-Dur“).