Zwei Messen von J. G. Rheinberger
als besondere Highlights

Rheinberger Bueste Vaduz

NEWSLETTER MÄRZ 2017

Liebe Freunde der Kirchenmusik!
Sehr geehrte Damen und Herren!

Die Fastenzeit beschert uns zwei Werke des Liechtensteiner Komponisten J. G. Rheinberger und ein Werk von Franz Schubert, nämlich die „Deutsche Messe“, die mit der Textzeile „Wohin soll ich mich wenden“ beginnt und im alten „Gotteslob“ als Messe Nr. 802 zu finden war (26. März). Am Palmsonntag erklingt die „Missa dolorum“ von Michael Haydn, eine Chormesse mit basso continuo.

Schließlich möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass der Kartenvorverkauf für unser nächstes Konzert, das „Stabat mater“ von Antonín Dvořák am 16. Mai, bereits begonnen hat. Bitte sichern Sie sich rechtzeitig Ihre Lieblingsplätze unter 0664-3366464 oder eMail: bestellung(at)chorvereinigung-augustin.com .

In der Jesuitenkirche war es im Jänner und Februar so kalt wie seit Jahren nicht. Leider darf aus denkmalschützerischen Gründen die Heizung nicht aufgedreht werden! Also müssen wir frieren, um die kostbaren Vergoldungen in der Kirche nicht zu gefährden. Da hilft nur eines: sehr, sehr warm anziehen!

Hartwig Frankl, Obmann

 

Sonntag, 19. März 2017: J. G. Rheinberger  „Cantus Missae“ op. 109

Der in Vaduz geborene Josef Gabriel von Rheinberger (1839-1901) zeigte schon früh ungewöhnliche Musikalität. Er versah bereits als Siebenjähriger den Organistendienst in seinem Heimatort und kam mit 12 Jahren zur Ausbildung an das Münchner Konservatorium, wo er seine Kommilitonen bald überflügelte und bereits zahlreiche Werke schuf. Als er 19 Jahre war, bot ihm das Konservatorium eine Dozentur für Klavier, später für Orgel und Komposition an, die er bis kurz vor seinem Lebensende ausüben sollte.

Rheinberger gehört zu den Komponisten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die nach Jahren des Vergessens zunehmend in das Bewusstsein von Musikpraxis und Musikforschung zurückgekehrt sind. Sein umfangreiches Œuvre, darunter allein 197 mit Opuszahl veröffentlichte Werke, umfasst Klaviermusik, Orgelmusik, geistliche und weltliche Chormusik, Sololieder, Kammermusik, Sinfonien, Konzertouvertüren, Schauspielmusiken und Opern. Ohne viel Werbung in eigener Sache zu machen, gehörte Rheinberger zu den erfolgreichen Komponisten seiner Zeit, an den Verleger, Musiker und Chöre mit Kompositionsaufträgen herantraten.

Er war als Kompositionslehrer am Münchner Konservatorium eine Kapazität von internationalem Rang. Zu seinen Schülern zählten unter vielen anderen Engelbert Humperdinck, Ermanno Wolf-Ferrari und Wilhelm Furtwängler sowie eine ganze Generation junger amerikanischer Komponisten (z.B. Horatio Parker und George Chadwick). Zahlreiche Orden und Auszeichnungen spiegeln den Erfolg des gebürtigen Liechtensteiners.

Rheinberger war ein entschiedener Klassizist, der Mozart und Bach zu seinen großen Leitbildern erhob. Auch wenn er die Musikgeschichte nicht nachhaltig prägen konnte, so steht er doch als großer Lehrer und bedeutender Repräsentant einer vielfältigen Musikkultur am Ende der klassisch-romantischen Epoche.

Der „Cantus missae“ – nach dem Musikwissenschaftler Otto Ursprung die „schönste reine Vokalmesse des 19. Jahrhunderts“ – ist Rheinbergers einzige doppelchörige Messkomposition. Sie erhält ihre eigene Prägung durch den Rückgriff auf Kompositionstechniken der altklassischen Vokalpolyphonie und die gleichzeitige Verwendung von funktionaler Harmonik und ausdrucksvoller, liedhafter Stimmführung. Für diese Messe wurde Rheinberger von Papst Leo XIII. im Jahr 1879 mit dem Gregorius-Orden ausgezeichnet.

 

Sonntag, 26. März 2017: Franz Schubert  „Deutsche Messe“ D 872

Die ersten zwei Takte des Eingangsliedes „Wohin soll ich mich wenden“ entsprechen übrigens exakt dem Beginn des Eingangschors „Das holde Licht des Tages“ aus Schuberts Opernfragment „Sakuntala“ D 701 aus dem Jahr 1820; es handelt sich hier um eine Reminiszenz an den Textautor Johann Philipp Neumann (1774-1849), der auch der Librettist dieser Oper war.

Die Resonanz der Zeitgenossen lässt sich gut aus einem Bericht der Wiener Allgemeinen Musikzeitung über eine Aufführung des Kirchenmusikvereins bei St. Anna am 8. Dezember 1845 (dem Fest Mariae Empfängnis) unter der Leitung von Ferdinand Schubert, dem Bruder des Komponisten, entnehmen. Bei dieser Aufführung „mit Begleitung von 2 Oboen und 3 Posaunen in Vertretung der Orgel“ war die „Vater unser“-Paraphrase des Anhanges („Anbetend deine Macht und Größe versinkt in Nichts mein betend Ich…“) als Offertorium eingeschoben worden:

„[…] einfach, erhaben und festlich selbst für den ungebildeten Laien; das „Vaterunser“ gehört wirklich zu dem Gelungensten, was in diesem Genre geschrieben wurde. Kraft und Vertrauen gepaart mit einem kindlich frommen Sinn […] dieses Kirchenliedes“.

Im Zuge der Popularisierung wurde die Schubert’sche Komposition häufig und nicht immer qualitätsvoll bearbeitet. Auch von Josef Gruber, dem Komponisten des Stille Nacht, Heilige Nacht existiert eine Bearbeitung. Einer der wichtigsten Bearbeiter der ersten Jahrzehnte nach Schuberts Tod war jedoch Ferdinand Schubert selbst. Er nahm u.a. den Text des sechsten Teils Nach der Wandlung („Betrachtend deine Huld und Güte“) und unterlegte ihn 1851 dem Gebet des Herrn („Anbetend deine Macht und Größe…“) im Anhang. Aus diesem Grund war der sechste Teil einige Zeit aus vielen populären Bearbeitungen verschwunden. Die Melodie dieses sechsten Teils ist übrigens bis auf die ersten fünf Noten identisch mit Schuberts Pax vobiscum („Der Friede sei mit euch“) D551 aus dem Jahre 1817. Bereits diese textliche Umarbeitung kann man als Verfälschung der ursprünglichen Absichten des Komponisten betrachten, da der wuchtige Satz des Anhangs eben der erschütternden Größe Gottes („Macht und Größe)“zugedacht war und mit dem sanften Text des sechsten Teils („Huld und Güte“) wenig harmoniert.

Bereits 1845 war der Anhang, das Gebet des Herrn bei dem Wiener Verleger Karl Haslinger in Druck erschienen. 1854 bot Ferdinand Schubert Haslinger eine Fassung des „Deutschen Hochamtes“ für Männerchor an, und im selben Jahr erschien in Wien auch eine sehr entstellte Bearbeitung von Josef Ferdinand Kloß in einem „Lehrbuch der Kirchenmusik“. 1855 folgen, ebenfalls von Kloß redigiert und durch einen Ministerialenerlass unterstützt, die Vierstimmigen Kirchengesänge für Studierende an Oesterreichischen Realschulen mit vielen Änderungen im Satz, nun auch geeignet „für den orgelbegleiteten einstimmigen Massengesang“. Der „Österreichische Schulbote“, eine Fachzeitschrift für die Lehrerschaft bezeichnet Schuberts „Messe“ auf Basis dieser Bearbeitung als „einen Liederkreis, welcher allein dem von M. Haydn [Anm.: Gemeint ist Haydns Deutsche Messe „Hier liegt vor deiner Majestät“] ebenbürtig an die Seite gestellt werden kann und die größte Verbreitung verdient“. Diese Ausgabe erschien noch 1911 in 16. Auflage. 1866 publizierte Johann Ritter von Herbeck (Hofkapellmeister, Hofoperndirektor, Professor am Konservatorium des Vereines der Musikfreunde und Förderer der Aufführung Schubert’scher Werke) eine a cappella-Fassung für Männerchor bei C. Spina in Wien. Entgegen einer auch heute noch weitverbreiteten Meinung gibt es keine authentische Fassung für Männerchor, es handelt sich dabei ausschließlich um Bearbeitungen von fremder Hand. Nichtsdestoweniger erfreuten sich gerade im ausgehenden 19. Jh. diese Männerchorbearbeitungen einer hohen Beliebtheit. Die dabei zu beobachtenden Verfälschungen und Entstellungen in Satz und Stimmführung wurden im Sinne des herrschenden Zeitgeistes jedoch eher als „Verbesserung“ gesehen und auch das Weglassen der Instrumentalbegleitung ist aus der Überzeugung der Zeitgenossen abzuleiten, dass das höchste Ideal der Kirchenmusik der unbegleitet a-capella-Gesang sei. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Aufführung der Deutsche Messe von Schubert heute gerade deswegen zum Teil auf Vorbehalte trifft, weil die zahllosen Bearbeitungen zu einer nicht unerheblichen Verkitschung beigetragen haben. Ein weiterer Grund sind die heute sicherlich nicht mehr ganz zeitgemäßen Texte, aber es wäre schade, wenn dies der wunderbaren Musik Schuberts Abbruch täte.

(Kirchenmusik in Benediktbeuern)

 

Sonntag, 2. April 2017: J. G. Rheinberger  „Missa St.ae Crucis“, Messe in G op. 151

Rheinberger gehörte zu den erfolgreichen Komponisten seiner Zeit, an den Verleger, Musiker und Chöre mit Kompositionsaufträgen herantraten. Als Hofkapellmeister des bayerischen Königs Ludwigs II. nahm er eine zentrale Position innerhalb der katholischen Kirchenmusik in Deutschland ein. Er komponierte lateinische Messen und Motetten, die in ihrer Unabhängigkeit von den einengenden Vorschriften der cäcilianischen Kirchenmusikreformer seiner Zeit wegweisend waren. Die meisten Sakralwerke entstanden in Rheinbergers letzter Schaffensphase.

Rheinberger wurde in München bestattet. Nach Zerstörung der Grabstätte im Zweiten Weltkrieg wurden die Gebeine von Rheinberger und seiner Gattin 1949 nach Vaduz überführt und in einem Ehrengrab auf dem Friedhof der Pfarrei St. Florin beigesetzt.

Rheinberger komponierte die Missa Sanctae Crucis op. 151 im September 1882 während eines Sommerurlaubs in Wildbad Kreuth. Sie enthält einprägsame, wunderschöne Motive und vermeidet extreme Stimmlagen. Die einzelnen Sätze sind harmonisch reich gestaltet, mit viel Sinn für Klang und mit den für Rheinberger typischen überraschenden Modulationen.  Der Beiname der Messe ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass Rheinberger die Komposition 1883 selbst erstmals in der Karwoche in der Allerheiligen-Hofkapelle in München zur Aufführung brachte. Später führte er die „Missa in G-Dur“, wie sie auch schlicht genannt wird, auch außerhalb der Fastenzeit auf. Wie alle Werke dieses international nicht überaus bekannten Komponisten, bringt die Missa St.ae Crucis starke Emotionen im Dienste der Liturgie zum spannenden Ausdruck.

 

Palmsonntag, 9. April 2017: Michael Haydn  „Missa dolorum BMV“

Michael Haydn (1737-1806), der Bruder des großen Wiener Klassikers, war ein bedeutender Vertreter des Salzburger klassischen Kirchenstiles und blieb, besonders in seinen Proprienkompositionen, durch seine ausgesprochen kirchliche Haltung bis weit ins 19. Jahrhundert hinein vorbildlich. Von den 32 lateinischen Messen, unter denen sich Vertreter aller üblichen Messformen befinden (Missae solennes, Missae breves und Missae quadragesimales), singen wir die Missa dolorum Beatae Virginis Mariae. Sie stammt aus dem Jahre 1762 und stellt in ihrer rokokohaften Frische ein unbekümmertes Jugendwerk dar. Das Autograph wird im Stift Kremsmünster, Oberösterreich, aufbewahrt. Haydn schenkte es dem Stift am 6. März 1794 als Zeichen der Dankbarkeit für genossene Gastfreundschaft.

Der Titel lautet „Missa quadragesimalis a quatuor vocibus, organe, violone, violoncello et 3 trombonis authore Michael Haydn“. Es enthält daher kein Gloria. Kyrie und Agnus sind noch von der kontrapunktischen Satzweise des „stile antico“ erfüllt, während die übrigen Messteile mit ihrer meist homophon-simplifizierten Technik schon unverkennbar die Züge der Wiener Frühklassik aufweisen.

Wir führen diese Messe als gemischter Chor mit Orgel auf. Dieses liebenswerte, frische Werk Michael Haydns zeigt das kirchenmusikalische Bild der Wiener Klassik auch in der weniger bekannten Form der Missa quadragesimalis.