Ein Saisonbeginn der anderen Art….

Haydn und Schubert
NEWSLETTER SEPTEMBER 2020
Liebe Freunde der Kirchenmusik!
Sehr geehrte Damen und Herren!

Noch nie in der 27-jährigen Geschichte der Chorvereinigung gab es eine so lange Pause ohne Chorgesang, nicht einmal im Jahr des Hinauswurfs aus der Augustinerkirche anno 1993, wo wir als Gastchor in diversen Wiener Kirchen aufgetreten sind. Doch 2020 ist alles anders. Mitte März erfolgte der Shutdown, und Aufführungen und Chorproben wurden abgesagt. Unter allen künstlerischen Aktivitäten am schlimmsten betroffen ist der Auftritt von Chören, weil hier die Corona-Maßnahmen am schwierigsten umzusetzen sind. Singen mit Maske ist unmöglich. Zwar haben wir einen großen Probenraum, wo locker 30 Personen – etwa die Hälfte des Chors – den Baby-Elefant Abstand halten können, aber wie sollte das in der Kirche möglich sein?
Aufgrund der Corona-Situation sind für Herbst vor allem Messen im Programm, die auch mit kleiner Besetzung sowohl für Chor als auch Orchester musikalisch vertretbar sind. Mag. Pixner möchte die Messen mit Solisten und kleinem Ensemble aus dem Chor (16-20 Leute) aufführen, Solisten singen den Chorpart mit. Das Orchester musiziert in reduzierter Besetzung.
Nach Maßgabe der Corona-Regeln könnte bei Lockerungen die Besetzung jederzeit hochgefahren werden (im Herbst eher nicht zu erwarten).
Nach der langen unfreiwilligen Pause starten wir nun aber wieder voll Freude und Spannung am 6. September mit der „Nikolaimesse“, auch „Sechs-Viertel-Messe“ genannt von Joseph Haydn, in das 2. Halbjahr. Danach folgen zwei Messen von Schubert und sechs Messen Mozart. Eine spannende Herausforderung für die nun stark reduzierte Besetzung stellen die in diesem Halbjahr ebenfalls geplanten „großen“ Messen aus unserem Repertoire dar: die „Nelsonmesse“ (22.11.) und „Theresienmesse“ (17.1.21) von Haydn, die „Waisenhausmesse“ von Mozart (8.12.20) und die Messe in D-Dur von Otto Nicolai (24.1.21).
Als Herbstkonzert bringen wir am Samstag, dem 24. Oktober, um 19 Uhr 30 das Requiem in d-Moll von W.A. Mozart. Dieses beliebte Werk war schon drei Jahre nicht bei uns zu hören (zuletzt am 18. 10.2017). Wir widmen dieses Requiem den Opfern der COVID Pandemie. Die Karten dafür werden nicht verkauft, sondern nach Maßgabe des reduzierten Platzangebotes gratis an Interessenten vergeben. Machen Sie auch Ihre Freunde darauf aufmerksam und bestellen Sie ihre Plätze bereits jetzt via e-mail oder online.
Einige Dinge sind diesmal aber anders als sonst: Es gilt absolute Reservierungs-/Registrierungspflicht! Es wird keine Abendkassa und auch keinen Einlass ohne registrierte Karte geben. Wir bitten um Ihr Verständnis: dies ist den Corona-Maßnahmen geschuldet, die eine Rückverfolgungsmöglichkeit vorschreiben.
Auch wenn die Karten für die markierten Plätze diesmal nicht verkauft werden, ersuchen wir um Ihre großzügige Spende nach dem Ende des Konzerts am Ausgang.
Auch wenn das Musizieren unter den Corona-Regeln für uns völlig neu sein wird, glauben wir doch, Ihnen Musikerlebnisse in gewohnter Qualität bieten zu können. Wir freuen uns, wenn Sie sich wieder in die Kirche wagen! Durch genaue Einhaltung der entsprechenden Vorschriften und Über-Erfüllung der Empfehlungen für ein sicheres Chorsingen des Chorverbands Österreich können wir Ihnen ein sicheres Mitfeiern der Hochämter und einen ebenso sicheren, erfüllenden Konzertbesuch ermöglichen. Freilich sind wir dabei auch auf Ihre Mitwirkung angewiesen und bitten Sie schon jetzt, sich genau an die entsprechend kundgemachten Regelungen zu halten.

Mit besten Grüßen!
Hartwig Frankl, Obmann


Sonntag, 6. September 2020: Joseph Haydn – „Nikolaimesse“
Fürst Nikolaus I. Esterházy (1714-1790) trat am 17. Mai 1762 das Erbe seines Bruders Paul Anton an. Er wurde Haydns Gönner und Dienstherr für beinahe 30 Jahre. Der Beiname „Der Prachtliebende“ weist darauf hin, dass er gerne Geld für große Feste und besondere Feierlichkeiten bereitstellte – der Dichter Johann Wolfgang Goethe schrieb in seiner Autobiographie vom „Esterházyschen Feenreich“. In vielerlei Hinsicht war Nikolaus I. ein vorbildlicher Mäzen, und der aus einfachen Verhältnissen stammende Haydn wurde nach dem Güterregent und dem Leibarzt der drittbest bezahlte „Hausoffizier“ des Fürsten Esterházy. Diese finanzielle Rangordnung zeigt die bedeutende Stellung, die Haydn einnahm und das hohe Ansehen, das Haydn genoss.
Fürst Nikolaus I. Esterházys Lieblingsinstrument war das Baryton, das er selbst spielte, und so erwartete er von seinem Kapellmeister, dass er neue Musik für dieses Instrument schreibe. Nach dem Tod des Kapellmeisters Georg Joseph Werner im Jahre 1766 übernahm Haydn die volle musikalische Verantwortung. Nachdem Joseph Haydn nun Erster Kapellmeister geworden war, kaufte er in Eisenstadt ein hübsches kleines Haus nahe dem Franziskanerkloster, das er um 1000 Gulden erwarb. Leider brachte ihm das Haus nicht viel Glück, da es zweimal abbrannte. Fürst Nikolaus I. Esterházy ließ es beide Male auf seine Kosten wieder aufbauen – ein Beweis dafür, wie sehr er seinen Kapellmeister schätzte. Haydn seinerseits „schwor dem Fürsten, ihm so lange zu dienen, bis der Tod über dessen Leben oder über sein eigenes entscheiden würde.“ 1778 verkaufte Haydn das Haus. Seit 1935 ist darin das Haydn-Museum untergebracht.
In der Nähe des südöstlichen Ufers des Neusiedlersees besaßen die Fürsten Esterházy ein kleines Jagdschloss, das nach dem nahegelegenen Ort Süttör benannt war. Fürst Nikolaus I. hatte eine besondere Vorliebe für diesen Ort und so beschloss er, dieses Gebäude in ein prächtiges Schloss, dass seit 1766 „Eszterháza“ genannt wurde, zu verwandeln. Es war eine außergewöhnliche Idee, inmitten eines sumpfigen Seewinkels ein „ungarisches Versailles“, dessen Anlage ein Opernhaus, ein Marionettentheater und zahlreiche Nebengebäude enthält, zu errichten – und diesen Ort zu einem Kulturzentrum zu machen, das europäischen Maßstäben gewachsen war. Seit ungefähr 1766/67 wurde Eszterháza in den Sommermonaten zum Zentrum der Tätigkeit Haydns.
Am 28. September 1790 starb Fürst Nikolaus I. – Mit seinem Tode ging eine Epoche musikalischer Weltgeschichte zu Ende. Fürst Paul Anton II. (1738-1794), Sohn und Nachfolger Nikolaus I., war an Musik wenig interessiert und entließ innerhalb weniger Tage das Orchester und die Sänger. Nur Haydn und der Konzertmeister Luigi Tomasini blieben als einzige formell in fürstlichen Diensten. Mit einer jährlichen Pension von 1000 Gulden ausgestattet, führte Haydn weiterhin seinen Kapellmeistertitel, obwohl er keinerlei Verpflichtungen gegenüber Fürst Paul Anton mehr hatte. Das „Märchen von Eszterháza“ war zu Ende. Für Joseph Haydn hatten sich in diesen drei Jahrzehnten außergewöhnliche Möglichkeiten eröffnet. Er übersiedelte nach Wien. (aus: HAYDN100&7)
Die Missa Sancti Nicolai in G-Dur, Hob. XXII:06 (deutsch: Nikolaimesse), ist die sechste Messe von Joseph Haydn. Sie wurde angeblich am 6. Dezember 1772 zur Feier des Namenstages von Fürst Nikolaus Esterházy uraufgeführt. Sie dürfte nach der „Abschiedssinfonie“ geschrieben worden sein, sozusagen als Dankeschön an den Fürsten. Außerdem hat Haydn die Messe in sehr kurzer Zeit geschrieben. So hat das „Dona nobis pacem“ die gleiche Melodie wie das „Kyrie“. In den Originalstimmen schrieb Haydn nur „Kyrie“ mit „Dona nobis pacem“-Text. Aufgrund der Pastoralmelodie des „Kyrie“ und „Dona nobis pacem„, die im Sechsvierteltakt steht, wird die Messe auch „Sechsviertel-Messe“ genannt. Insgesamt hat die ganze Messe einen sehr pastoralen Charakter, da sie für die Adventszeit komponiert wurde. Die Messe ist geschrieben für Chor, Soloquartett, Streicher, 2 Oboen, 2 Hörner, Fagott und Orgel.
Als Solisten wirken mit: Cornelia Horak, Eva-Maria Riedl, Gernot Heinrich und Klemens Sander.

Sonntag, 20. September 2020: Franz Schubert – Messe in B-Dur, D 324
Franz Schubert komponierte zwischen 1814 und seinem letzten Lebensjahr sechs lateinische Messzyklen. Die erste Messe in F-Dur D 105 ist eine Missa solemnis und entstand für die Hundertjahrfeier der Kirche von Lichtental, Schuberts Heimat im Wiener Randbezirk. Die folgenden Messen in G-Dur D 167, B-Dur D 324 und C-Dur D 452 gehören dem Brevis-Typ an, obwohl diejenige in B eine ungewöhnlich große Orchesterbesetzung mit Oboen, Fagotten, Trompeten und Pauken sowie, allerdings nur im Kyrie Hörnern und Posaunen aufweist.
Nur acht Monate nach der Komposition der G-Dur Messe begann Schubert am 11. November 1815 seine 3. Messe in B-Dur D 324. Obwohl die B-Dur-Messe mit einer Aufführungsdauer von knapp 30 Minuten durchaus noch als missa brevis bezeichnet werden kann, weist die große Instrumentalbesetzung sie als Werk für eine besondere Gelegenheit aus. In dieser Hinsicht knüpft sie an die Messe in F-Dur D 105 an, wenn auch in einem etwas kleinerem Maßstab, die Dauer betreffend.
Obwohl als sicher angenommen werden kann, dass sie in Lichtental zur Aufführung kam, ist der genaue Anlass ebenso unbekannt wie das Datum, an dem die Komposition beendet wurde. Die autographe Partitur, die sich heute in der British Library in London befindet, enthält einige spätere Korrekturen, die wohl im Zusammenhang mit einer Aufführung gemacht wurden. Sie scheint wohl auch außerhalb Wiens bekannt gewesen zu sein: Ferdinand Schubert berichtet in einem Brief an seinen Bruder Franz vom 6. Oktober 1824 von einer Aufführung einer Messe eines unbekannten Komponisten in Hainburg, zu der er gebeten wurde, die Orgel zu spielen. Als er die Noten erhielt, erkannte er in dem Werk die B-Dur-Messe seines jüngeren Bruders. Die Aufführung selbst lobt er in den höchsten Tönen, nur der Tenor wäre »etwas ängstlich und stimmlich schwach« gewesen.
Das Répertoire International des Sources Musicales (RISM) weist etwa ein halbes Dutzend Abschriften aus Österreich, Deutschland und Tschechien aus. Ihre Verbreitung war jedoch bei weitem nicht die der anderen drei Lichtentaler Messen in F-Dur, G-Dur und C-Dur. Auch heute noch scheint es die am wenigsten häufig aufgeführte Messe dieser Reihe zu sein. Der Erstdruck der B-Dur Messe erfolgte jedoch bereits 1837 bei Haslinger in Wien.
Bekanntermaßen vertonte Schubert in keiner seiner Messen den vollständigen liturgischen Text. Allerdings verzichtet er nicht nur auf das „Et unam sanctam catholicam et apostolicam ecclesiam“ („[Ich glaube an] die eine heilige katholische und apostolische Kirche“), das er niemals in Musik setzte; eine tendenziell zunehmende Zahl weiterer Auslassungen von Glaubenssätzen des Gloria und des Credo machen persönliche Skepsis gegenüber der christlichen Lehre wahrscheinlich. Manche der Lücken und die merkwürdige Verkürzung „Confiteor unum baptisma in remissionem mortuorum“. in der Messe B-Dur lassen allerdings auch Irrtümer durch mangelnde Lateinkenntnisse vermuten; ein eindeutiges Bild hat sich für das Verständnis dieses Phänomens aus den bisherigen Untersuchungen nicht ergeben. Der letzte Satz des Credo lautet (vollständig): „Confiteor unum baptisma in remissionem peccatorum, et exspecto resurrectionem mortuorum et vitam venturi sæculi.“ (Ich bekenne die eine Taufe zur Vergebung der Sünden. Ich erwarte die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt.)
Insgesamt ließ sich Schubert in puncto formaler Anlage – Gliederung in sechs große Sätze, Verzicht auf Arien für die Gesangssolisten, welche stattdessen entweder allein oder in der Gruppe mit kurzen Passagen dem Chor gegenübertreten – wohl auch durch die „sinfonische Messe“ des späten Haydn inspirieren, ohne freilich dessen zeitliche Ausdehnung zu erreichen. Ein repräsentatives, musikalisch reizvolles Werk also, das mit seiner vielschichtigen, detailliert ausgearbeiteten Textbehandlung beeindruckt.

Quellenangabe hier.

Als Solisten hören Sie: Elisabeth Wimmer, Katrin Auzinger, Franz Gürtelschmied und Yasushi Hirano.

Sonntag, 27. September 2020: W. A. Mozart – Große Credomesse, KV 257
Im Jahr 1776, der vermutlichen Entstehungszeit der drei Messen KV 257, 258, 259, befand sich Mozart in einem Zustand depressiver Entscheidungslosigkeit. Erstmals saß er, der Vielgereiste, seit längerem in seiner Heimatstadt Salzburg fest, wo es weder eine Oper noch ein organisiertes öffentliches Musikleben gab. Eine fulminant begonnene Karriere als Komponist und Klaviervirtuose drohte hier zu stagnieren, denn auch ein fürstliches Patronat großen Stils war in Salzburg nicht zu erhoffen. Zwar bekleidete Mozart mit seinen 20 Jahren einen hübschen Posten als erzbischöflicher Konzertmeister, der ihm 150 Gulden jährlich einbrachte. Doch dem seit 1772 regierenden Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo, einem hochgebildeten, verwaltungstechnisch äußerst fähigen Vertreter des aufgeklärten Absolutismus, war mehr an der Loyalität und Verfügbarkeit seines Untertanen als an dessen Musiklaufbahn gelegen. Ausgedehnte Reisen wurden drastisch erschwert, der Umgang blieb kühl und spiegelte – anders als später im josephinischen Wien – den Standesunterschied bis zur Sitzordnung an der höfischen Tafel wider.
Im gleichen aufklärerischen Geist verfügte er auch die Beschneidung des pompösen Barockgottesdienstes samt musikalischer Auszierung. „Wenn es auf mich ankäme, so würde ich (…) an dem letzten Decret den Hintern geputzt haben“, kommentierte Mozart einen entsprechenden Kirchenmusik-Erlass von 1780. Doch als Pragmatiker, der er zeitlebens war, reagierte er auch auf den „nackenden Gottesdienst“ pragmatisch, passte differenziert Ausdehnung und Besetzung der Messen dem jeweiligen Festtag an und komponierte als instrumentalen Ersatz für das Graduale kurze Epistelsonaten.
Wie bei den meisten Mozart-Messen fehlen Berichte über zeitgenössische Aufführungen. Es offenbart sich in den drei C-Dur-Messen bei allen persönlichen Merkmalen ein gewisser Formschematismus, mit dem Mozart das Missverhältnis von zeitlicher Gedrängtheit, Textmenge und Besetzung zu bewältigen suchte. Die wenigen Solopassagen dienen der klanglichen Gliederung des Textes und bewirken nur selten eine Ausdrucksintensivierung: etwa bei der theologisch zentralen Aussage des „Et incarnatus est“, das Mozart durch Tempo- und Taktwechsel expressiv abhebt und in KV 257 als berückenden Gesang im pastoralen Siciliano-Rhythmus gestaltet.
Ein Wechselgesang zwischen Chor und Soli strukturiert das Agnus Dei und Kyrie, das Mozart in allen drei Messen als Dialog zwischen Chor und Solo organisiert, während sich im Gloria und weiten Teilen des Credo der Zwang zur Kürze durch homophone, fast gehetzte Abhandlung des Ordinariumstextes äußert. Einzig in KV 257 kommt Mozart auf den verblüffenden Einfall, ein eigenständiges, rhythmisch prägnantes Credo-Motiv als eine Art „liturgisches Motto“ 18-mal in Originalgestalt und verschiedenen Varianten einzufügen – womit er ein Maximum an Einheitlichkeit und theologischer Aussage erzielt.
Cornelia Horak, Martina Steffl, Daniel Johannsen und Markus Volpert musizieren mit uns.