Newsletter April 2024

Im April singt die Chorvereinigung nur dreimal, dies aber mit einem Programm, das es wirklich in sich hat. Mozarts „Missa Longa“ am Weißen Sonntag ist eine der aufwendigeren Mozartmessen, und „longa“ nur im Vergleich zu den von Fürsterzbischof Colloredo kurz und knapp gewünschen Messen: in einer Dreiviertelstunde musste ja alles fertig sein, inklusive pontifikaler Predigt. Bei der Missa Longa KV 262 geht es nicht ganz so schnell, und das Werk ist auch ein echtes Gustostückerl. Selten gespielt, in Zukunft bei uns aber wieder öfter zu erwarten.

Zu Schuberts Großer Messe in As, dem Werk mit der wahrscheinlich schwierigsten Chorfuge der Messliteratur, möchte ich hier nichts weiter sagen. Unten im Text steht ja schon einiges, und ich habe darüber hinaus eine kleine Werkeinführung verfasst, welche Sie mit den „Sonntagszetteln“ erhalten, die bei der Messe am 14. aufliegen werden.

Und schließlich Puccini am Ende des Monats! Diese „Missa di Gloria“ ist immer ein vergnügliches Fest für alle Mitwirkenden – und hoffentlich auch für Sie. Wir werden voraussichtlich Ende Juni im Rahmen unserer geplanten Chorreise nach Lucca, dem Geburtsort Puccinis, Gelegenheit haben, das Werk unter Gustav Kuhn in einer von ihm eigens für uns erstellten Fassung für Chor, Solisten, 2 Klaviere, Cembalo und einige wenige Instrumente zu proben und aufzuführen. – Dazu mehr, wenn die Sache aktuell wird.

 

Bild: Statute „Der Auferstandene“ in der Jesuitenkirche (Foto: Hartwig Frankl)

Inzwischen wünsche ich Ihnen allen namens der Chorvereinigung St. Augustin eine schöne Osterzeit!

Martin Filzmaier, Obmann

 

 

Sonntag, 7. April 2024, 10:30 Uhr: W. A. MOZART – Missa longa KV 262 (1775)

Wolfgang Amadeus Mozarts Messe KV 262 ist eine „Missa solemnis“, eine feierliche Messe für ein kirchliches Hochfest oder einen besonderen festlichen Anlass, der bisher nicht ermittelt werden konnte. Nachdem das im zweiten Weltkrieg verschollene Autograph der Messe 1980 in Krakau wieder gefunden und neu datiert wurde, belegen Format und Wasserzeichen, dass die Messe im Juni/Juli 1775 entstanden war.

Leopold Mozart bezeichnete KV 262 im Unterscheid zu Mozarts wesentlich kürzeren Messen der gleichen Zeit als „Missa longa“. In der Tat überrascht die Ausführlichkeit der einzelnen Sätze sowie der Schlussfugen von Gloria und Credo. Auch die große Besetzung betont den repräsentativen Charakter der Messe. Wie das Salzburger Stimmenmaterial belegt, lebt in der Missa longa noch etwas von der Tradition barocker Mehrchörigkeit fort, die im Salzburger Dom bis ins 19. Jahrhundert gepflegt wurde: Die Vokalsolisten bilden gemeinsam mit den Violinen, Oboen und der Generalbassgruppe ein „Concertino“, das im Wechsel mit dem „Tutti“ von Chor und Orchester musiziert. Zu dieser schon damals schon etwas altertümlichen Praxis passten keine ariosen Soli wie sie sich nach dem Vorbild der italienischen Oper auch in der Messe des 18. Jahrhunderts eingebürgert hatten. Vielmehr greift Mozart häufiger als in seinen anderen Messen auf den kontrapunktischen Satz des alten Kirchenstils zurück, der die Kirchenmusik seit der Zeit Palestrinas wesentlich geprägt hatte. Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die einzelnen Sätze der Missa longa wie in Mozarts vorhergehenden Messen an Muster der zeitgenössischen Instrumentalmusik anlehnen. So werden die fugierten Abschnitte im Kyrie in einen formalen Ablauf integriert, der auch im ersten Satz einer Symphonie oder einer Sonate begegnet. Das Gloria wird einschließlich der Schlussfuge „Cum sancto spiritu“ von ein und demselben Orchestermotiv begleitet und dadurch formal zusammengehalten. Nur im expressiv ausgedeuteten Mittelteil „Qui tollis“ setzt dieses Motiv aus, wodurch die Wiederholung des Satzbeginns bei „Quoniam tu solus“ besonders hervorsticht.

Die prägnante Kürze der Orchestermotive und ihre durch zahlreiche Triller unterstrichenen Beweglichkeit geben der Messe einen heiteren, belebten Rahmen. Im fröhlichen, rondoartigen Finale der Messe, „Dona nobis“, stimmen schließlich auch die Vokalstimmen ein ausgesprochen schlichtes Thema an, das nur aus Tonwiederholungen und Quintfall besteht. Trotzdem Mozart sich in der Messe KV 262 betont auf die kirchenmusikalische Tradition bezieht, um dem Anspruch einer Missa solemnis gerecht zu werden, setzt er auch hier den seit der Trinitatismesse KV 167 eingeschlagenen Weg zu einer modernen, symphonisch strukturierten Vertonung des Messordinariums fort.

Nach Salzburger Aufführungspraxis der Mozart-Zeit wurden die drei Unterstimmen des Chores (Alt, Tenor, Bass) colla parte mit Posaunen verstärkt und der Chor von einer eigenen Orgel begleitet, die jeweils mit der Bassstimme des Chores kadenziert und in den Solopartien pausiert. Die Orgel des Concertinos schreibt häufig schon ein tasto solo vor, während die Orgel des Tutti die Kadenz des Chores noch akkordisch unterstützt.

Die Messe ist mit Solisten, Chor, Violine I und II, 2 Oboen, 2 Hörner, 2 Clarini, 3 Posaunen colla parte, Pauken und Basso continuo besetzt.

Das Quellmaterial befindet sich in der Bibliotheka Jagiellonska in Krakau und in der Staats- und Stadtbibliothek in Augsburg.

Christine Martin im Vorwort zur Carus-Ausgabe 2004.

Zum Offertorium singt der Chor von Melchior Vulpius: „Gelobt sei Gott im höchsten Thron“.
Als Solisten wirken mit: Monika Riedler, Kathrin Auzinger, Alexander Kaimbacher, Markus Volpert

Sonntag, 14. April 2024, 10:30 Uhr: Franz SCHUBERT – Messe in As-Dur, D 678 (1826)

 

Die Messe entstand 1819 bis 1822, die zweite Fassung von 1825 bis 1826. Im Gegensatz zu den anderen Messen hatte Schubert bei der Komposition der Missa solemnis in As-Dur keinen Auftrag oder ein bestimmtes Fest als Anlass. Das belegt schon die lange Zeit, welche die Komposition der Messe in Anspruch genommen hat: Schubert arbeitete mit Unterbrechungen von November 1819 bis Dezember 1822 an diesem Werk. Keines seiner Werke beschäftigte ihn länger als die As-Dur Messe. Ferdinand Schubert brachte die Messe vermutlich bereits 1822 oder 1823 in der Altlerchenfelder Kirche zu Wien zur Aufführung (er war dort Regens Chori). Diese erste Aufführung dürfte seinen Bruder Franz jedoch nicht zufrieden gestellt haben.

 Als er 1826 beabsichtigte, sich um die schon länger vakante Vizehofkapellmeisterstelle zu bewerben, überarbeitete er (wahrscheinlich angeregt durch Erfahrungen aus der ersten Aufführung) die Messe grundlegend, indem er z.B. den Chorpartien manche Abschnitte tiefer legte und instrumental unterstützte sowie die begleitenden Spielfiguren der Streicherstimmen vereinfachte und für das Ende des Gloria eine neue Fuge komponierte.

 Diese zweite Fassung übergab er an den Hofkapellmeister Josef Eybler – den Nachfolger von Antonio Salieri – zur Aufführung in der Hofkapelle. Dieser schickte sie ihm jedoch mit den Worten „Die Messe ist gut, aber nicht in dem Styl componirt, den der Kaiser liebt” zurück. Für den Kaiser war auch die überarbeitete Version offenbar zu lang und noch immer zu schwierig.

Einzelne Sätze erklangen erst wieder 1863 im Leipziger Gewandhaus und 1874 im Wiener Verein der Musikfreunde unter der Leitung von Johannes Brahms. 1875 erschien eine erste gedruckte Ausgabe.

Text aus dem Internet, Autor unbekannt

Als Solisten hören Sie

Sonntag, 30. April 2023, 10:30 Uhr

Giacomo PUCCINI (1858-1924) – „Messa di Gloria“ (1880)

Die “Messa a 4 voci con orchestra” ist das erste umfangreiche Werk von Giacomo Puccini und sein umfangreichstes überhaupt außerhalb seiner Opern. Ihre Komposition (unter Integration eines schon zwei Jahre früher geschriebenen und aufgeführten Credo) wurde im Sommer 1880 abgeschlossen, fast gleichzeitig mit dem Ende von Puccinis Schulzeit im “Istituto Musicale G. Pacini”, einer Art musikalischem Gymnasium seiner Vaterstadt Lucca in der Toscana. Die Uraufführung seines vollständigen Werkes fand am 12. Juli 1880 während eines Gottesdienstes am Fest des Heiligen Paolino statt, des Patrons von Lucca.

Doch sogleich nach seinem Schulabschluss und obwohl die Messa in der lokalen Presse hochgelobt wurde, verweigerte sich Puccini der von seiner Familie und den städtischen Honoratioren vorgezeichneten Laufbahn. Er verließ Lucca, um in Mailand am renommiertesten Konservatorium Italiens weiter zu studieren – mit einem ganz anderen Traum: Opernkomponist in der vergötterten Nachfolge Richard Wagners zu werden, was ihm nach einigen Anfangsmühen ja schließlich auch gelang. Es entbehrt gewiss nicht der distanzreichen Selbstironie, dass und wie Puccini zwei Sätze der Messa in späteren Opern verwendete: Das Kyrie erscheint als aus einer Kirche tönendes Orgelstück im ersten Akt von “Edgar” (komponiert 1889-1892), das Agnus Dei als historisierendes “Madrigale” im zweiten Akt von “Manon Lescaut” (komponiert 1889-1892). Beide Zitate spiegeln also gleichsam vergangene Musik vor, wobei das heimliche Vergnügen des Komponisten sicher darin bestand, dass kein Opernbesucher die reale (und einst ganz ernst gemeinte) Quelle erkennen konnte.

Denn die Messa war inzwischen nie mehr aufgeführt worden und wurde es auch nicht mehr zu Lebzeiten des Komponisten. Erst 72 Jahre nach der Premiere kam es in Chicago zur ersten Wiederaufführung. Sie verdankt sich der Puccini-Verehrung des italo-amerikanischen Priesters Dante Del Fiorentino, der in seiner Jugend für kurze Zeit Kaplan in Puccinis Wohnort Torre del Lago gewesen war und damals den schon alten Komponisten kennen gelernt hatte. Del Fiorentino besuchte nach dem 2. Weltkrieg seine toscanische Heimat und sammelte dort Puccini-Handschriften, vor allem Hunderte von Briefen. Dabei kaufte er der lucchesischen Familie Vandini auch eine alte Abschrift der Messa ab, die er zumindest anfangs wohl für Puccinis Original hielt. In Amerika sorgte er für die Veröffentlichung des Stücks durch den Verlag Mills Music und für seine Aufführung im Jahr 1952. Dieser Vorgang führte zu jahrelangen rechtlichen Auseinandersetzungen mit Puccinis Erben und seinem Exklusivverlag Ricordi, die schließlich mit einem Kompromiss endeten.

Das seitdem verfügbare Aufführungsmaterial beruht auf der Abschrift von Del Fiorentino und einer autographen Partitur, die sich im Besitz von Puccinis Schwiegertocher Rita befand. In dieser Fassung erlebte Puccinis Messa seit den 1970er Jahren viele Aufführungen in der ganzen Welt und auch mehrere Schallplatteneinspielungen. Seit März 2004 liegt eine Neuausgabe vor, die im Carus-Verlag erschienen ist, die sich konsequent auf Puccinis originale Partitur stützt.  Hierin kündigt sich bereits die für den späteren Opernkomponisten charakteristische Subtilität und Flexibilität der Schreibweise an, was die Messa zu mehr macht als einem belanglosen Jugendwerk, das seinen Reiz nichts anderem verdankt als dem erst künftig berühmten Namen des Autors.

Puccini hat sich viele später noch einmal mit dem Werk seiner Jugend befasst. Das geschah zu einem Zeitpunkt, als er nach der zunächst erfolglosen Uraufführung seiner dritten Oper „Manon Lescaut“ am 1. Februar 1893 in Turin glaubte, seine Hoffnungen auf eine Karriere als Opernkomponist aufgeben zu müssen. Die deprimierende Erfahrung nach einem vollen erfolglosen Jahrzehnt auf dem Feld der Oper mag Puccini veranlasst haben, sich auf seine wenig spektakulären Anfänge zu besinnen: Im Frühjahr 1893 begann er mit der Bearbeitung älterer Stücke, damit vielleicht wenigstens diese aufgeführt würden. Dazu gehörte auch die Messa. Puccini brach seine Überarbeitung ab, als „Manon Lescaut“ bald darauf zu einem Hit wurde und nun von allen großen Theatern in der ganzen Welt gespielt wurde. Er wurde als Opernkomponist weltberühmt, und er hatte es nicht mehr nötig, an seine kargen Anfänge zu erinnern.

Text: Dieter Schickling im Vorwort zur Carus-Ausgabe 2004.

Die Soli singen Stephen Chaundy (Tenor) und Yasushi Hirano (Bass).

 

Die Chorvereinigung St. Augustin wird die Messa di Gloria am 30. Juni 2024 in Lucca (Italien) konzertant zur Aufführung bringen.