Newsletter FEBRUAR 2024

Der selige Otto Schallmayer, jahrzehntelang ein Fels in der Brandung der Bass-Gruppe, sagte angesichts der um diese Jahreszeit wenig gemütlichen Temperaturen an unserer Wirkungsstätte immer, „Zu Ostern is’s in der Kirchn am köötastn“. Seiner Erfahrung nach hing die Kälte der Winterzeit noch einige Zeit ins Frühjahr nach, und obwohl die Tageslänge dann schon Frühling und Wärme suggeriert, ist davon im ungeheizten Kirchenraum lange nichts zu merken. Die Zeiten, wo im Jänner schon einmal das Weihwasser im Becken einfror, scheinen – der Klimawandel? – vorbei zu sein, aber von kuscheligen Temperaturen sind wir im Winter dennoch weit entfernt. Das merken besonders die Musiker, und da wieder besonders die Streicher, die es aber trotz klammer Finger in bewundernswerter Weise schaffen, die schönste Musik hervorzubringen – wie sich unlängst bei Otto Nicolais herausfordernder Messe in D wieder eindrucksvoll gezeigt hat. Und das alles „um die Gaasch“, also um den mageren Lohn, den die Kirchenmusik halt ortsüblich hergibt. Im wohlig geheizten Musikverein oder Konzerthaus herrschen ganz andere Arbeitsbedingungen. – Warum also tut sich ein hochklassiger Berufsmusiker, egal welchen Geschlechts, so etwas an? – Fragen Sie die Damen und Herren doch einmal nach der Messe! Oder fragen Sie sich selbst, was Sie bei solchen Rahmenbedingungen jeden Sonntag in die Jesuitenkirche lockt! Ich glaube, die Antwort liegt auf der Hand…

Im Februar singen wir vor der früh beginnenden Fastenzeit nur noch einmal mit Orchester: Haydns wunderschöne Mariazellermesse, über die Patrick Maly ein Stück weiter unten viel Schönes zu sagen hat. Wir sagen „Haydn“ und verstehen dann fast immer „Joseph“. Am 2. Fastensonntag singen wir „Michael“. Michael Haydns Schicksal ist es, als bei den Zeitgenossen hochgeschätzter Komponist einen Weltstar als Bruder zu haben, in dessen Schatten er zeitlebens stand. Auch bei uns führt Michael Haydn bislang eher ein Schattendasein. Bis auf sein (viel zu selten aufgeführtes!) Schrattenbach-Requiem – das „prototypische Requiem der Barockzeit“ (P. Maly) – haben wir kein geistliches Werk mit Orchester von ihm im Repertoire. Und die A-cappella-Messen sind ja – für Fastenzeiten komponiert – bewusst schlicht gehalten und vergleichs- und angemessenerweise „karges Brot“. Das soll sich ändern: Voraussichtlich im Herbstsemester wollen wir Michael Haydns Hieronymus-Messe einstudieren und von da an im Repertoire halten. Ein bisschen mehr Licht auf den „kleinen“ Bruder, der wohl zu Unrecht in Josephs Schatten steht…

Martin Filzmaier, Obmann

Sonntag, 11. Februar 2024, 10:30 Uhr
Joseph HAYDN (1732-1809): „Mariazellermesse“ (1782)
Missa Cellensis, Hob. XXII:08

Für einen Komponisten seiner Generation und seines Renommees schrieb Joseph Haydn relativ wenige Messen – nur 14 Werke werden von der Forschung im Moment als authentisch anerkannt. Noch dazu verteilen sich die Werke sehr unregelmäßig über Haydns gesamte Schaffensperiode; allein die sechs Messen für Fürstin Maria Hermenegild Eszterházy bilden so etwas wie einen geschlossenen Werkkomplex innerhalb Haydns kostbarem Alterswerk.
Der Hauptgrund dafür liegt im Biographischen: Zwar war Haydn als fürstlich-Eszterházyscher Hofkapellmeister natürlich auch für die Belange der Kirchenmusik am Hofe zuständig, aber Haydns wichtigster und langjähriger Dienstherr, Nikolaus I. (reg. 1762 bis 1790) hatte kein Interesse an der musikalischen Ausgestaltung der Gottesdienste, sondern legte seine Schwerpunkte auf das eigene Barytonspiel, symphonische Instrumentalmusik und später vor allem auf die Oper. Bezeichnenderweise kann man von den – nur – 4 Messen, die in jenen Jahren entstanden sind, bloß eine mit dem Fürsten in Verbindung bringen: nomen est omen – die Nicolaimesse aus dem Jahr 1772.
Auch die Mariazeller Messe entstand 1782 für einen auswärtigen Auftraggeber: Missa Cellensis Fatta per il Signor Liebe de Kreutzner vermerkt das entsprechend datierte Autograph, das (früher im Besitz des Stiftes Göttweig) in der Staatsbibliothek Berlin aufbewahrt wird. Anton Liebe war ein pensionierter österreichischer Offizier, der 1781 geadelt wurde; die zeitliche Nähe lässt vermuten, dass die Messe für einen entsprechenden Dankgottesdienst oder eine Wallfahrt nach Mariazell gedacht war. Dabei musste das Werk nicht einmal direkt in Mariazell aufgeführt worden sein; eine Aufführung im Zuge der Vorbereitungen der Wallfahrt durch eine entsprechende Bruderschaft in einer Wiener Kirche ist ebenfalls denkbar.
Zeitlich steht die Mariazeller Messe wie ein einsamer Block da: Die letzte Messe davor war im Jahr 1773 entstanden; 14 Jahre sollten vergehen, bis 1796 die nächste Messe aus Haydns Feder folgte. Insgesamt verbindet das Werk allerdings mehr mit den späteren Messen; konventionell wirken vor allem Tonart (C-Dur) und Besetzung (Streicher, Orgel, 2 Oboen, Fagott und 2 Trompeten ohne weitere Bläser) und – wenn man will – die Bevorzugung einzelner Solisten gegenüber dem Solistenquartett; in der Konzeption der Teile und der Anwendung der musikalischen Mittel schaut der Komponist hingegen in die Zukunft.

Das Kyrie beginnt mit einer langsamen Einleitung, ganz wie eine moderne Symphonie der damaligen Zeit, und auch dem schnellen Hauptteil (Vivace) eignet ein symphonischer, aber auch (durch die Verwendung des Solosoprans) konzertanter Zug. Innovativ erscheint, dass Haydn das Kyrie als einen großangelegten, komplexen Satz konzipiert (und nicht mehr z.B. mit separatem Christe eleison), und dabei Vorbilder in instrumentalen Gattungen sucht, ohne dass einfach ein ‚Symphoniesatz mit eingebautem Chor‘ entstanden wäre.
Gloria und Credo sind 3-teilig aufgebaut; 2 schnelle Teile für Chor (in C-Dur und im 4/4-Takt) rahmen jeweils einen zentralen, langsameren Teil mit Solistenbeteiligung ein; auch hier sind also die Zeiten der kleinteiligen ‚Nummernmesse‘ (jeder Vers eine eigene ‚Nummer’ –also Arie, Ensemble oder Chor) vorbei. Im Gloria bildet diesen Mittelteil eine Sopran-Arie in F-Dur (der einzige Satz, in dem das Fagott eine eigene Stimme hat), die sich beim Einsatz des Chores in düsteres f-Moll wendet. Analog erscheint im Credo eine Tenor-Arie Et incarnatus est (Largo, C-Dur) deren Musik, bei den Worten ‚Crucifixus‘ ebenfalls um den Chor erweitert, passenderweise nach c-Moll moduliert. Beide Teile enden mit eher knappen, aber musikalisch interessanten und in der Ausführung anspruchsvollen, schwung- und kraftvollen Fugen (im Credo mit Taktwechsel nach 6/8).
Der interessanteste Satz ist möglicherweise das im Sanctus eingebettete Benedictus. Bei Haydn ist das Benedictus öfter ein ernster Satz, aber der strenge, barocke Gestus des Anfangs (g-Moll 2/4-Takt, samt Violinen im Unisono, Trillern, Sequenzen und imitativen Bassfiguren) erscheint doch überraschend herb. Umso größer der Gegensatz, wenn das Solistenquartett einsetzt; durch Melodik und freiere Behandlung der Sänger wirkt dieser Teil in seiner Musiksprache sehr modern. Gekonnt moduliert Haydn vom anfänglichem g-Moll über B-Dur nach G-Dur. Noch faszinierender ist aber möglicherweise die Tatsache, dass die Musik keine Neukomposition ist, sondern von Haydn – mit geringen Änderungen – einer Arie seiner Oper ‚Il mondo della luna‘ von 1777 entnommen wurde. Dort gibt der als Mondfürst verkleidete Kavalier Ernesto den verdutzten Erdbewohnen gute Ratschläge das Liebensleben betreffend: „Qulache volta non fa male il contrasto ed il rigor. Sempre pace, sempre amore, fa languire anco il piacer. Quando poi  cessa lo sdegno, sente il cor maggior diletto, piu vigor prende l’affetto e moltiplica il goder.“ (‚Bisweilen machen sich Widerstand und Strenge nicht schlecht; immer Frieden, immer Liebe lassen die Lust dahinwelken. Wenn dann der Zorn sich legt, fühlt das Herz größeres Vergnügen; die Liebe erhält neue Kraft und vervielfacht die Freude.‘)  Haydn hielt sich erstaunlich eng an die Vorlage; bemerkenswert, wie er den (in der Arie natürlich nur einstimmigen) Vokalpart auf zuerst vierstimmigen Chor und dann Solistenquartett erweiterte und nebenbei die Musik an den wesentlich kürzeren Text anpasste. Was Haydn zur Übernahme der Arie veranlasste, wird man kaum mehr feststellen können. Wahrscheinlich wollte er einfach nur der großartigen Musik eine zweite Chance geben (eine Aufführung der gesamten Oper stand damals nicht im Bereich des Möglichen); ob er auch textliche Gründe für die Übernahme sah, sei jedenfalls dahingestellt…
Das Agnus Dei beginnt in c-Moll und bietet die dreimalige Anrufung „Lamm Gottes“ mit dreimaliger Antwort; die abschließende Fuge ist konventioneller dafür aber ausgedehnter als die entsprechenden Sätze in Gloria und Credo, und soll wohl einen ‚gelehrten’ Eindruck zu Ende hinterlassen.
In den 14 Jahren nach diesem Werk schuf Haydn keine weiteren Messkompositionen. Die Regulationen Josephs II. die Kirchenmusik betreffend schufen ein Klima, das der Entwicklung der Gattung nicht förderlich war. Erst die Lockerungen nach dem Tod des Kaisers und ein neuer Fürst Eszterházy boten Haydn die Möglichkeit, wieder Messen zu schreiben. Die Erfahrungen der London-Reisen und der späten Symphonien sollten dazwischen liegen, und doch sind die späten Messen dem vorhergehenden Werk in vielem ähnlich; anders gesagt: Haydn hatte in der Mariazeller Messe für sich ein Gattungskonzept geschaffen, das für ihn trotz des Zeitsprunges Verbindlichkeit und Gültigkeit bewahren sollte.
Autor: Mag. Patrick Maly im Booklet unserer CD

Als Solist*en hören Sie: Cornelia Horak, Martina Steffl, Daniel Johannsen und Klemens Sander.

Zum Offertorium singt der Chor die Motette „Locus iste“ von Anton Bruckner.
Locus iste sind die Anfangsworte der lateinischen Motette für vierstimmigen gemischten Chor a cappella von Anton Bruckner (WAB 23) in C-Dur. Bruckner komponierte das Werk im Jahre 1869 für die Einweihung der Votivkapelle im Mariä-Empfängnis-Dom in Linz. Bruckner stellte das Werk am 11. August 1869 fertig. Die Aufführung kam zum Festtag der Einweihung der Votivkapelle nicht zustande. Locus iste wurde am 29. Oktober 1869 uraufgeführt. Der Text ist das Graduale (Zwischengesang) für das Kirchweihfest.

Locus iste a Deo factus est,
inaestimabile sacramentum,
irreprehensibilis est.
Dieser Ort ist von Gott geschaffen,
ein unschätzbares Geheimnis,
kein Fehl ist an ihm.

Sonntag, 18. Februar 2024, 10:30 Uhr. 1. Fastensonntag
H.
L. HASSLER (1564-1612) – Missa secunda

Hans Leo Hassler (auch: Hans Leo Haßler von Roseneck) getauft 26. Oktober 1564 in Nürnberg, gestorben 8. Juni 1612 in Frankfurt am Main, gehörte einer berühmten Musikerfamilie an. Sein Vater Isaac (geb. um 1530 in Joachimsthal, Böhmen) war seit 1558 Organist an der Spitalkirche in Nürnberg und bildete ihn schon früh zum Organisten aus. 1584 erhielt er Unterricht bei Andrea Gabrieli in Venedig. 1585 wurde er in Augsburg Kammerorganist des Grafen Oktavian II. von Fugger und Organist an St. Moritz. 1590 erschien seine erste Sammlung Canzonette a quatro voci. 1600 wurde er für ein Jahr neben seinen anderen Tätigkeiten noch Leiter der Augsburger Stadtpfeifer. Nach dem Tod des Grafen Oktavian ging er 1601 nach Nürnberg, wo er sich in erster Linie kaufmännischen Geschäften und der Entwicklung und Herstellung von Orgelautomaten widmete. Ab 1608 war er Kammerorganist des in Dresden residierenden Kurfürsten Christian II. von Sachsen. Im Jahr 1595 wurde er von Kaiser Rudolf II. zusammen mit seinen Brüdern Caspar Hassler und Jakob Hassler in den Adelsstand erhoben. 1604 erhielten sie das Adelsprädikat von Roseneck. Hans Leo Hassler starb 1612 auf einer Reise in Frankfurt am Main an Schwindsucht.
Hasslers Werk steht an der Stilwende von der späten Renaissance-Polyphonie zu venezianisch-frühbarocker Klangentfaltung sowie (in seinen Liedsätzen) zu schlichter, liedhafter Homophonie. Während seine Messen und Motetten meist noch dem kontrapunktisch-imitatorischen Prinzip in der Nachfolge eines Orlando di Lasso und eines Leonhard Lechners huldigen, entfalten seine mehrchörigen Werke, wie beispielsweise die 15-stimmige Motette Jubilate Deo oder sein 16-stimmiges Duo Seraphim bereits barocke Klangpracht nach dem Vorbild der venezianischen Mehrchörigkeit. Seine Werke zeichnen sich dabei nicht nur durch kontrapunktische Gelehrsamkeit, sondern auch durch höchste Anmut und Zartheit aus. In seinen vierstimmigen Bearbeitungen der gebräuchlichen Kirchenmelodien zeigt er, wie auch das Einfachste durch charaktervolle Bearbeitung bedeutsam werden kann.
Nicht weniger geschätzt als seine geistlichen Werke (Messen, Motetten etc.) waren seine Madrigale, Kanzonetten und deutschen weltlichen Lieder, darunter das später mit dem Text „O Haupt voll Blut und Wunden“ in den protestantischen Kirchengesang aufgenommene Lied Mein G’müt ist mir verwirret, das macht ein Jungfrau zart, welches sich nebst vielen anderen in seinem Lustgarten neuer deutscher Gesänge zu 4–8 Stimmen (Nürnberg 1601) findet.
Text aus dem Internet; Autor nicht genannt.

Sonntag, 25. Februar 2024, 10:30 Uhr. 2. Fastensonntag
Michael HAYDN (1737-1806): Missa in tempore Quadragesimae MH 553

 

 

1760 erhielt Johann Michael Haydn eine Anstellung als Kapellmeister beim Bischof von Großwardein (im heutigen Rumänien). Haydn blieb jedoch nicht in der Provinz, sondern schaffte 1763 den Sprung an den renommierten geistlichen Fürstenhof in Salzburg, wo er über 40 Jahre in den Diensten von Fürsterzbischof Sigismund Graf Schrattenbach und seines Nachfolgers Hieronymus Graf Colloredo stand. Als „Hofmusicus und Concertmeister“ war er Kollege von Vizekapellmeister Leopold Mozart und dessen Sohn Wolfgang Amadé.
Nach W. A. Mozarts Zerwürfnis mit dem Salzburger Hof wurde Michael Haydn 1782 dessen Nachfolger als erster Hof- und Domorganist. Er war ein gesuchter Pädagoge, zu dessen Schülern u. a. Anton Diabelli, Sigismund Neukomm und Carl Maria von Weber zählten.
In den beiden letzten Lebensjahrzehnten widmete sich Haydn fast ausschließlich der geistlichen und weltlichen Vokalmusik. Mit den gleichstimmigen deutschen Liedern, die er für die geselligen Treffen mit seinen Freunden schrieb, schuf Haydn die neue Gattung des Männerquartetts.
Zwei Reisen führten Haydn 1798 und 1801 zu seinem Bruder nach Wien. Ein lukratives Angebot als Vizekapellmeister am Esterházyschen Fürstenhaus lehnte er ab. Ehrend war für den „Salzburger Haydn“ die Aufnahme in die „Königliche Schwedische Musikakademie“ im Jahr 1804. Im August 1806 starb Johann Michael Haydn und wurde auf dem Friedhof der Salzburger Erzabtei St. Peter beigesetzt. Bereits zu seinem 15. Todestag wurde 1821 in der Stiftskirche St. Peter ein Denkmal enthüllt. In berührenden Worten berichtete Franz Schubert im August 1825 seinen Eindruck vom Besuch dieses Grabmonuments: „Es wehe auf mich, dachte ich mir, dein ruhiger, klarer Geist, du guter Haydn, und wenn ich auch nicht so ruhig und klar sein kann, so verehrt dich doch gewiss Niemand auf Erden so innig als ich. (Eine schwere Thräne entfiel meinen Augen…).“
Text aus dem Internet, Autor unbekannt