Newsletter März 2024

 

In der diesjährig sehr kurzen Fastenzeit gestalten wir im März bis zum Palmsonntag 4 Hochämter, davon eines nicht mit einer auskomponierten Messe, sondern mit thematisch passenden Motetten aus dem 17. und aus dem 20. Jahrhundert, die in die Liturgie „eingebaut“ werden.

Poulencs „Vinea mea electa“, ein wunderbares, in entlegene Kreuz-Tonarten überhöht schwebendes Werk, ist quasi eine Neueinstudierung, weil es schon viele Jahre lang nicht gesungen worden ist. In weiterer Folge möchten wir mehr und mehr Werke aus unserem eigentlich reichen, in den letzten Jahren aber aus verschiedenen Gründen sehr vernachlässigen Schatz an A-cappella-Stücken wieder zurück ins Repertoire heben. Poulencs eingängige und spirituell tiefgehende Motetten, heikel zu singen, gehören definitiv zu den Werken, welche die Liturgie speziell als Offertorien neuerlich bereichern werden.

Zu den vermeintlich „ohnehin bekannten“ Messen der Fastenzeit hat Chormanager Hartwig Frankl wieder aufschlussreiche und in die Tiefe gehende Informationen zusammengetragen, die ich auch gerade mit großem Interesse gelesen habe, denn da ist – sicherlich nicht nur für mich – viel Neues dabei.

Eine wache, ernüchterte und entschleunigte Fastenzeit wünscht Ihnen Ihr

Martin Filzmaier, Obmann

 

Sonntag, 3. März 2024, 10:30 Uhr

Antonio LOTTI (1666-1740) Missa in C

Antonio Lotti, * Februar 1666 in Venedig, nach anderen Quellen getauft am 25. Januar 1666 in S. Marina, † 5. Januar 1740 in Venedig, Sohn von Matteo Lotti, eines kurfürstlichen Kapellmeisters am Hof in Hannover. Am 6. August 1690 wurde er Assistenzorganist, am 31. Mai 1692 zweiter und schließlich am 17. August 1704 als Nachfolger von Giacomo Spada 1. Organist an San Marco. Von 1697 bis 1707 war er auch maestro di cappella der Scuola dello Spirito Santo.

1692 brachte er seine erste Oper Il Trionfo dell’Innocenza zur Aufführung, 1716 komponierte er für den Wiener Hof die Oper Costantino, deren Partitur heute in der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt wird.

1717 folgte er der Einladung des Kurfürsten von Sachsen nach Dresden, wo er zwei Jahre als Hofkapellmeister tätig war. Leider zwang das sächsische Klima den Meister, der zeitlebens lungenkrank und von schwacher Gesundheit war, zur baldigen Rückkehr in seine Heimat. Während der Zeit in Deutschland traf er möglicherweise mit Bach zusammen, was für beide tiefgreifende Folgen hatte. Bach bewahrte lebenslang eine Abschrift von Lottis Crucifixus, einer Komposition, die der Meister explizit für Dresden verfasst hatte, in seinen Notenbeständen auf. Lotti dagegen vertiefte sich in Deutschland in die Werke der „klassischen“ Vokal-Polyphonie von Schütz und Praetorius, die für sein weiteres Schaffen wegweisend wurden.

Erstaunlicherweise komponierte Lotti nach seiner Rückkehr in die Heimat im November 1719 keine Opern mehr. Die für Dresden geschriebene Oper Teofane blieb seine letzte Bühnenarbeit, danach entstand nur noch geistliche Musik. Nachdem er sich vorher schon einmal vergeblich um das prestigeträchtige Amt des Maestros di Cappella an San Marco beworben hatte und wegen zu schwacher Gesundheit abgelehnt worden war, wurde ihm mit fast 70 Jahren diese Ehre doch noch zuteil, als man ihn am 2. April 1736 zum Kapellmeister berief; dadurch wurde Lotti ein später Nachfolger von Claudio Monteverdi. Durch seine Kompositionen war Lotti ziemlich wohlhabend geworden; dennoch wollte er nicht auf dieses Amt des Kapellmeisters verzichten. Außerdem war Lotti als hervorragender Lehrer bekannt.

Bereits 1736 ernsthaft erkrankt, starb Antonio Lotti am 5. Januar 1740 an den Folgen einer Bronchitis in seiner Geburtsstadt Venedig und wurde in der Kirche San Geminiano beigesetzt. Kirche und Grablege sind nicht erhalten; sie fielen einer großangelegten „Aufräumaktion“ Napoleons im Jahr 1815 zum Opfer.

https://gemeinden.erzbistum-koeln.de/stifts-chor-bonn/service/komponisten/Lotti.html

 

 

Sonntag, 10. März 2024, 10:30 Uhr: Franz SCHUBERT – Deutsche Messe, D 872

 

Kreuzaltar

Die ungewöhnlich große Popularität, mit der es keine der übrigen Messen Schuberts aufnehmen konnte, verdankt das Werk zu einem Großteil der Tatsache, dass es einen deutschsprachigen Text anstelle des im katholischen Ritus traditionell lateinischen verwendet. Diese Besonderheit spiegelt sich noch im dezidierten, weder vom Textautor noch vom Komponisten autorisierten Titel „Deutsche Messe“ im Erstdruck von 1870 wider.

Zwar hatte Schubert bei der Hinwendung zu deutschen Textfassungen einen bedeutenden Vorläufer, denn schon Michael Haydn komponierte im Jahr 1782 für den Erzbischof Hieronymus von Salzburg mit einigem Erfolg ein „Deutsches Hochamt“. Bei Schubert jedoch begegnen Vertonungen deutscher Nachdichtungen von ursprünglich lateinischsprachigen Liturgieformen ungewöhnlich häufig. Im Jahr 1816 etwa entstand ein Deutsches Salve Regina („Sei, Mutter der Barmherzigkeit“) D 379, nur eine Woche später ein Stabat Mater („Jesus Christus schwebt am Kreuze“) D383 und zwei Jahre darauf ein Deutsches Requiem („Bei des Entschlafnen Trauerbahre“) D 621.

Lässt sich der Großteil dieser Werke mit „offenbarem Bekenntnischarakter“ interpretieren, so handelte es sich bei der Deutschen Messe D 872 um eine Komposition, die der Verfasser des Textes, Johann Philipp Neumann (1774-1849), bei Schubert bestellt und mit 100 Gulden Wiener Währung honoriert hatte; das Werk zählt demnach zu den mehr als 30 geistlichen Auftragswerken, deren Komposition Schubert im Laufe seines Lebens nachgekommen ist. Den Erhalt des Geldes bestätigte er mit einem Dankschreiben, aus dem sich auch das ungefähre Entstehungsdatum ableiten lässt: Sommer oder Frühherbst 1827.

Johann Philipp Neumann, der Herausgeber des „Neuen Wiener Musenalmanachs“, der im Hauptberuf als Professor für Physik sowie Bibliothekar am Wiener Polytechnischen Institut tätig war, hatte im Oktober 1820 bereits das Libretto zu Schuberts Fragment gebliebener Indien-Oper „Sakuntala“ D 701 verfasst. Dass gerade er nun die Idee eines deutschen Messtextes aufgriff, rückt Schuberts Vertonung in einen besonderen religionspolitischen Zusammenhang. Er stammte nämlich aus einer böhmischen Gegend, deren liberale Glaubensausrichtung man nicht als „römisch-katholisch“, sondern scherzhaft als „böhmisch-katholisch“ bezeichnete. Er galt als ein äußerst aktiver Anhänger des antikurialen Josephinismus, als Vertreter von allen Äußerlichkeiten befreiten absolutistischen Staatskirchentums, für den das Messopfer im Vordergrund des religiösen Interesses stand. Neumanns deutschsprachige Dichtung zielte auf eine allgemein-verständliche, jedermann direkt zugängliche Liturgie. Obwohl sich sechs seiner Nummern an Ordinariumssätze und zwei an Propriumssätze anlehnen und damit unauflöslich mit den liturgischen Vorgaben verwurzelt sind, zeichnen sie andererseits ein väterlich-zartes und dabei sehr privates Gottesbild, das der autoritären lateinischen Liturgieform deutlich zuwiderlief.

Schubert bediente sich bei der Vertonung von Neumanns Dichtung ebenfalls einer einfachen, schnörkellosen und innigen musikalischen Sprache, die neben dem deutschen Text sicherlich entscheidend zur heutigen Beliebtheit des Werkes beitrug. Ob er dabei lediglich die Struktur der Dichtung reflektierte oder Neumanns religiösen Ansichten gezielt folgte, lässt sich aus heutiger Sicht nur mehr schwerlich entscheiden. Immerhin stehen die kurzen liedhaften, vorwiegend homophon-syllabischen Sätze auch jenen Werken nahe, die größtenteils für Schuberts älteren Bruder Ferdinand und dessen Tätigkeit am Wiener Waisenhaus bzw. der Lerchenfelder Kirche gedacht waren.

Der österreichische Aufklärungskatholizismus begründete eine Tradition, deren Ideen über mehrere Jahrzehnte hinweg in nicht wenigen Teilen des Volkes lebendig blieben, obwohl ihr kirchenpolitischer Niedergang bereits mit dem Ende der Regierungszeit Joseph II. (1790) gekommen war. So wurden Neumanns Dichtungen zunächst nicht für den öffentlichen Kirchengebrauch zugelassen, ihre liturgische Freigabe erfolgte erst im Jahr 1846.

Überliefert ist Schuberts Deutsche Messe in zwei Fassungen: Zunächst entstand eine im Autograph unvollständig erhaltene erst Version für Chor und Orgelbegleitung, die eine Art Rohfassung des späteren Werkes darstellt. Aus ihr ging durch Hinzufügung von Bläsern und Pauken eine zweite Version hervor, die gegenüber der ersten Niederschrift nicht einfach nur eine erweiterte Besetzung aufweist, sondern zugleich auch die dynamischen Angaben stärker differenziert. Zum Druck gelangte diese Zweitfassung erstmals im Jahre 1870 beim Verlag J.P.Gotthard in Wien, der das Autograph von Neumanns Sohn erworben hatte.

Salome Reiser, aus dem Vorwort der „Stuttgarter Schubert-Ausgaben“ 1997.

 

Sonntag, 17. März 2024, 10:30 Uhr

MOTETTEN zur Fastenzeit:

Mit thematisch nur in die Fastenzeit, bzw. die Karwoche passenden Motetten tritt die Chorvereinigung St. Augustin ein wenig aus der „üblichen“ Gestaltung der Sonntagshochämter heraus. Anders als die vertonten Messtexte der klassischen Messkompositionen vertiefen diese Motetten auf besonders eindringliche Weise spezielle Themen der 40 Tage vor Ostern.

Zum Einzug:

Heinrich SCHÜTZ (1585-1672): Ehre sei dir Christe

Nach der Lesung:

Georgius BARDOS (1905-1991): Eli, Eli

Gabenbereitung:

Francis POULENC (1899-1963): Vinea mea electa

Vater unser:

Igor STRAWINSKY (1882-1971): Pater noster

Danklied (Auszug):

Heinrich SCHÜTZ (1585-1672): Also hat Gott die Welt geliebt

Palmsonntag, 24. März 2024, 10:30 Uhr

 

Michael HAYDN: Missa Quadragesimalis „Missa dolorum Beatae Mariae Virginis“ MH 57/552

Von Erzbischof Sigismund von Schrattenbach nach Salzburg gerufen, wurde Michael Haydn (1737-1806) am 14. August 1763 zum Hofkomponisten (Hofmusicus und Concertmeister) in Salzburg ernannt. Er wurde als Nachfolger Wolfgang Amadeus Mozarts 1782 als Organist an der Dreifaltigkeitskirche tätig und war zuletzt auch für die Dommusik zuständig. In Salzburg wirkte er insgesamt 43 Jahre lang. In dieser Zeit schrieb er 360 sakrale und weltliche Kompositionen, vor allem Instrumentalmusik. Er war ein Freund Mozarts, wobei die beiden Musiker einander sehr schätzten.

Michael Haydn wurde am 13. August 1806 in der Kommunalgruft im Petersfriedhof Salzburg beigesetzt. Im Totenbuch des Friedhofs von St. Peter schrieb Prior P. Gabriel Hutter über Michael Haydn folgendes: „Sein Charakter war stille, behutsam, Bescheidenheit, Rausch und Spiele waren ferne von ihm, Mäßigkeit in Denken, Reden, und auch andere Musikwerk zu beurteilen, war, was ihn beliebt und schätzenswert machte.“

Sein vor allem in katholischen Messen häufig gesungenes Werk ist das Deutsche Hochamt („Hier liegt vor Deiner Majestät“), das zu den wenigen kirchlichen Volksgesängen der Klassik gehört. Haydn war ein wichtiger Wegbereiter der geistlichen Musik. Bekannt sind seine geistlichen Chorwerke, darunter die „Missa Hispanica“ (für die er 1804 in Stockholm sein Diplom erhielt), eine Messe in d-Moll, das „Schrattenbach-Requiem“  in c-Moll (MH 155), ein „Lauda Sion“ unter dem Titel »Deinem Heiland, deinem Lehrer« und eine Reihe von Gradualien, von denen 42 in Anton Diabellis „Ecclesiasticon“ gedruckt wurden. Außerdem gilt Michael Haydn als wichtiger Verfechter des Männerchores. Er war auch ein fruchtbarer Komponist weltlicher Musik. Unter anderem schuf er 41 Sinfonien, einige Instrumentalkonzerte und Kammermusik. Eine Begründung, warum Michael Haydn weit weniger bekannt ist als sein berühmter Bruder Joseph, mag darin liegen, dass seine Werke zu seiner Lebzeit nicht verlegt wurden, sondern lediglich in handschriftlichen Kopien hauptsächlich von Kloster zu Kloster, hier vor allem natürlich seine geistlichen Werke, verbreitet wurden. Ein Großteil des Schaffens von Michael Haydn ist der Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannt und harrt noch seiner Entdeckung.

Text aus dem Internet, Autor unbekannt